Der Wolfsthron: Roman
überlief Raisa. Noch jemand, den sie nicht kannte. Der von ihren Feinden ausgewählt worden war. Sie war froh, dass Amon da sein würde.
»Wie sieht es mit der Begräbnisstätte selbst aus?«, wollte Elena wissen.
»Sie haben mehrere große Pavillons um den Scheiterhaufen der Königin aufgebaut«, erzählte Night Bird. »Einer trägt das Grauwolf-Wappen, was nahelegt, dass Prinzessin Mellony hier ist. Ein anderer trägt das Wappen der Bayars. Auf einem dritten befindet sich das lidlose Auge, auch wenn ich Lord Demonai nicht gesehen habe. Das Grab selbst befindet sich ein Stück hangaufwärts und ist aus dem Berg herausgehauen worden. Etliche Leute laufen herum und sind mit den Vorbereitungen beschäftigt.«
»Hast du Korporal Byrne auch gesehen?«, fragte Raisa.
Bird schüttelte den Kopf. »Er dient als Eskorte der Leiche der Königin. Das Grab für den verstorbenen Hauptmann befindet sich ein Stück unterhalb von dem der Königin. Ein paar Flatland-Soldaten bewachen die Stelle.«
Also wird Hauptmann Byrne tatsächlich in der Nähe seiner Königin begraben, dachte Raisa. In den Armen ihres Berges. Und Amon würde da sein und auf sie warten. Und der Rest der Grauwölfe – Freunde, die sie seit Odenford nicht mehr gesehen hatte. Freunde, auf die sie sich verlassen konnte. Sie holte tief Luft und atmete langsam aus. Gut.
»Fallon hat gesagt, dass Redner Jemson eine Ansprache halten wird – erst für Hauptmann Byrne, dann für die Königin. Danach wird Königin Mariannas Körper den Flammen übergeben, um ihren Geist zu befreien, damit er in die Berge einziehen kann. Der Hohemagier und ein Repräsentant des Regentschaftsrates werden ebenfalls sprechen.«
»Und Prinzessin Mellony?«, fragte Raisa.
Bird schüttelte den Kopf. »Es heißt, dass die Prinzessin zu bekümmert ist, um eine Rede zu halten.«
Oder zu eingeschüchtert, dachte Raisa grimmig. Als Königin wird sie lernen müssen, zu jedem Anlass zu sprechen. Ihr Volk will aus ihrem Mund hören, was los ist.
Im Schutz des Waldes schlugen sie ein provisorisches Lager auf, dann versammelten sie sich ein letztes Mal – Raisa und Reid Nightwalker Demonai, Willo Song, Elena Cennestre , Han Alister und Fire Dancer.
»Thorn Rose«, sagte Elena. »Ich weiß, dass du an der Gedenkfeier deiner Mutter teilnehmen willst. Ich bin aber immer noch der Meinung, dass es am sichersten wäre, wenn du dir alles vom Bergkamm aus ansehen würdest. Wir könnten genügend Krieger als Wache bei dir lassen. Auf diese Weise bekämst du alles mit und wärst nicht in Gefahr.«
Raisa schüttelte den Kopf. »Ich werde an der Gedenkfeier zu Ehren meiner Mutter teilnehmen. Wir haben das bereits besprochen.«
Elena seufzte und rieb sich das Kinn. »Ich dachte mir, dass du das sagen würdest.« Sie legte Raisa eine Hand auf den Arm. »Dann bitte ich dich zumindest um dies: Du bist gekleidet wie eine Demonai. Wenn du schon zum Grab absteigen musst, reise in unserer Mitte, sodass du höchstwahrscheinlich nicht erkannt werden wirst.«
»Großmutter, ich muss als Erbprinzessin an der Feier teilnehmen«, sagte Raisa. »Ich muss von so vielen Zeugen wie möglich gesehen werden, damit hinterher niemand bestreiten kann, dass ich ins Reich zurückgekehrt bin. Das ist der einzige Weg, wie ich meinen Anspruch auf den Thron sichern kann.«
»Wenn du tot bist, kannst du den Grauwolf-Thron nicht mehr besteigen«, versetzte Elena. »Wir können dich nicht beschützen, wenn du dich in die Menge begibst. Ich weiß, dass du gern beweisen möchtest, dass du kein Feigling bist, aber …«
»Ich tue das nicht, um irgendwem irgendetwas zu beweisen – außer, dass ich da bin und die Absicht habe, den Thron zu besteigen«, stellte Raisa klar. »Ich tue das, um meine Mutter zu ehren.«
»Falls du deine Krönung noch erlebst, so hoffe ich, dass dir dein Starrsinn als Königin wenigstens nützlich sein wird«, knurrte Elena.
»Han Alister hat geschworen, für meine Sicherheit zu sorgen – das war dein Werk, schon vergessen?«, fragte Raisa. »Und Fire Dancer hat sich bereit erklärt zu helfen. Wir haben einen Plan ausgearbeitet, den wir befolgen müssen.«
Alle Blicke richteten sich jetzt auf Han, der leicht breitbeinig dastand, die Arme vor der Brust verschränkt. Seine glänzenden Haare wurden von der hangabwärts wehenden Brise zerzaust. Sein Einsamer Jäger glühte auf dem nüchternen Schwarz seines Gewandes.
Fire Dancer war weggegangen, um seine Packtaschen zu holen. Er löste die Riemen, schlug
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