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Der Wolfsthron: Roman

Der Wolfsthron: Roman

Titel: Der Wolfsthron: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cinda Williams Chima
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Sie trugen Anhänger auf ihren Umhängen, mit denen sie das Geschlecht ehrten, dem zu dienen sie geschworen hatten.
    Irgendwann wird die Zeit kommen, nahm Raisa sich fest vor, da werde ich in der Lage sein, mich ohne Wachen durch die Straßen meines Königinnenreichs zu bewegen.
    Prinzessin Mellony ritt neben ihr; ihre langen blonden Locken klebten an ihrer Stirn und in ihrem Nacken, ihre Lippen waren vor Kälte blau, ihre Zähne klapperten. Sie trug einen leichten Seidenumhang in Schwarz und Königsblau, der völlig durchnässt war.
    Raisa blinzelte die Regentropfen aus den Augenlidern und zog ihre Kapuze über den Kopf. Wie die meisten Gegenstände der Clans stellte auch ihr Grauwolf-Umhang eine perfekte Verbindung aus Schönheit und Funktionalität dar, und die fest gewebten, geölten Wollfasern hielten den Regen ab. Dennoch klatschten ihr durch die Vorwärtsbewegung die Tropfen ins Gesicht, als sie den langen Hang vom Marianna-Gipfel hinunterritten. Das Wasser lief in Rinnsalen ihren Hals entlang und zwischen ihre Brüste.
    Mellony drehte sich immer wieder im Sattel um und warf einen Blick auf Micah, als wollte sie sicherstellen, dass er noch da war. Micah ritt mit Fiona gleich hinter den Demonai-Kriegern.
    Ich muss auf Mellony aufpassen, dachte Raisa. Ich muss sie von denen wegholen, die sie bisher im Griff hatten. Sie ist alles, was ich noch habe – sie und Averill.
    Sie hatten nie viel gemeinsam gehabt. Bevor Raisa zum Demonai-Camp gegangen war, waren ihr die drei Jahre Altersunterschied wie eine unüberwindbare Kluft vorgekommen. Raisa war mit Amon und seinen älteren Freunden durch die Straßen gepirscht, während Mellony unter dem liebevollen Blick ihrer Mutter mit Puppen gespielt und mit ihnen Teestunde abgehalten hatte.
    Als Raisa von den Demonai zurückgekehrt war, hatte sie festgestellt, dass Mellony und Königin Marianna noch enger zusammengerückt waren, und Raisa hatte sich noch mehr als Außenseiterin gefühlt.
    Sie beugte sich zu Mellony hinüber. »Du siehst aus, als würdest du frieren und dich gar nicht wohlfühlen«, sagte sie. »Hast du nichts gegen den Regen mitgenommen?« Augenblicklich bereute sie ihre Worte. Sie klangen viel eher kritisch als mitfühlend.
    Und genauso fasste Mellony sie auch auf. Ihre Mundwinkel wanderten nach unten. »Wer hat schon mit Regen gerechnet«, erwiderte sie. »Die Wettermagier haben keinen vorhergesagt.«
    »In den Bergen muss man immer auf wechselhaftes Wetter vorbereitet sein«, sagte Raisa. Erschöpft, wie sie war, schaffte sie es einfach nicht, einen anderen Ton anzuschlagen.
    »Du solltest Micah herkommen lassen«, forderte Mellony überheblich. »Wir reiten oft zusammen aus. Er weiß, wie man sich vor dem Regen schützt.«
    »Nur weil er das weiß, heißt das noch lange nicht, dass es eine gute Idee ist, Magie zu diesem Zweck zu benutzen«, sagte Raisa und dachte dann schuldbewusst daran, wie Han ihren Umhang in Odenford getrocknet hatte. »Du solltest dich vor dem Zauber der Magier in Acht nehmen.«
    »Das musst du gerade sagen«, gab Mellony zurück und schürzte die Lippen. »Wo du dich ganz offensichtlich selbst in die Fänge eines Magiers begeben hast.«
    Das klang zu sehr nach Lord Bayar.
    Das hier lief ganz und gar nicht gut.
    Bevor Raisa selbst auf den Gedanken kam, zügelte Amon Byrne leicht sein Pferd und lenkte es näher an Mellony heran. Er legte ihr seine dicke Uniformjacke über die Schultern und entfernte sich wieder, um sie nicht zu stören.
    Beschützer des Geschlechts.
    Sie hatten die Berghänge des Marianna-Gipfels hinter sich gelassen und durchquerten jetzt das verhältnismäßig flache Vale, wo sie schneller vorankamen und der Regen nur noch ein lästiges Nieseln war. Die feste Straße hatte jedoch ihre eigenen Tücken – riesige Pfützen, unter denen sich tiefe Löcher verbargen.
    Sie muss repariert werden, dachte Raisa, wie so vieles andere auch. Wo werden wir das Geld dafür herbekommen?
    »Wo bist du eigentlich die ganze Zeit gewesen?«, fragte Mellony schließlich. »Wir dachten, du wärst tot.« Sie klang, als hätte Raisa irgendeinen gemeinen Trick angewandt, indem sie noch am Leben war.
    »Ich war die meiste Zeit in Odenford«, antwortete Raisa. »Ich habe auf der Akademie gelernt.«
    »Du bist zur Schule gegangen?« Mellony wölbte ihre schönen Brauen. »Du bist weggelaufen, um zur Schule zu gehen?« Als wäre so etwas unvorstellbar.
    Raisa sah sich um; sie wollte ungern über die Sache sprechen, wenn so viele Augen und

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