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Der Wolfsthron: Roman

Der Wolfsthron: Roman

Titel: Der Wolfsthron: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cinda Williams Chima
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wärmen. Eine von oben bis unten eingemummte Blaujacke verließ widerwillig das warme Wachhaus und winkte Han nach einem kurzen prüfenden Blick weiter. Anscheinend konzentrierten sich die Soldaten der Fells in diesen Zeiten hauptsächlich auf das, was im Innern des eigenen Reiches geschah – auf das Drama um die Prinzessin. Niemand schien sich um einen einsamen Reiter zu kümmern, der in den Norden wollte.
    Seltsamerweise war Han enttäuscht. Er hatte sich fast schon darauf gefreut, dass irgendein Schwertschwinger es darauf anlegen würde, seine glänzenden neuen Waffen an ihm auszuprobieren.
    Die Ponys waren richtiggehend ausgelassen, als sie mit dem Aufstieg zum Pass begannen. Ragger schleuderte den Kopf hin und her und versuchte, Han die Zügel aus der Hand zu reißen.
    »Heb dir deine Kraft lieber für später auf«, mahnte Han. »Es wird nicht lange dauern, bis du anfängst zu jammern.«
    Es war dieselbe Straße, die er acht Monate zuvor mit Dancer entlanggeritten war, nur sah sie durch die jüngsten Schneefälle ganz anders aus. Es war schwer zu sagen, wie viel Schnee gefallen war. An manchen Stellen waren die Schneewehen so hoch, dass sie sogar Han auf dem Pferd überragten. An anderen Stellen hatte der Wind den Schnee wiederum so sehr weggefegt, dass der nackte Fels zum Vorschein kam. Als dann die Sonne aufging, glitzerten die Gipfel im Licht, und die Zweige und das Eis auf dem Gestein sahen aus, als würden sie in Flammen stehen.
    Han hatte nicht viel Erfahrung damit, um diese Jahreszeit in den Bergen zu reisen. Die Sommer hatte er zwar meist in den Highland-Camps verbracht, aber im Winter war seine Heimat auf den Straßen von Fellsmarch gewesen. Je höher sie stiegen, desto kälter wurde es, und ganz egal, wie viele Kleidungsstücke Han auch übereinander anzog, der klare Himmel schien ihm die Wärme regelrecht aus dem Körper zu saugen. Han wärmte sich die Hände an seinem Amulett und das gefrorene Gesicht mit kleinen magischen Energiestößen.
    Das Wetter in den Bergen war selbst im Sommer wechselhaft und tückisch, aber Han war trotzdem überrascht, wie sehr ihn der tiefe Schnee aufhielt. Dann verwandelte sich die Straße in einen schmalen Pfad, der sich zwischen riesigen Granitblöcken hindurchschlängelte; immerhin hatte dies den Vorteil, dass der Wind und das Schneetreiben zumindest ein bisschen nachließen.
    Es dauerte nicht lange, und Ragger und das Ersatzpony hörten auf zu tänzeln und fingen stattdessen an zu jammern, die Ohren dicht an den Kopf angelegt. Immer wieder gönnte Han den Tieren eine Pause und gab ihnen jedes Mal etwas von dem mehr und mehr schwindenden Kornvorrat.
    Irgendwann am Nachmittag stieß Han auf eine Abzweigung zu einer Schutzhütte der Clans – einem Wege-Camp –, die ein paar hundert Schritt von der Straße entfernt lag. Im Herbst hatten er und Dancer auf ihrem Weg nach Süden dort übernachtet. Jetzt bog er von dem Pfad ab und ritt auf die Hütte zu, um den Pferden einmal eine Pause unter einem wärmenden Dach zu gönnen.
    Han zog in Erwägung, die Nacht in der Schutzhütte zu verbringen. Die Demonai statteten ihre Wege-Camps häufig mit Nahrungsmitteln und anderen Dingen aus, erst recht um diese Jahreszeit. Han’s Vorräte reichten nur bis zum Marisa-Pines-Camp, wobei Han davon ausgegangen war, dass er vor Einbruch der Nacht dort eintreffen würde.
    Wenn sie allerdings in der Schutzhütte blieben, überraschte sie vielleicht schon der nächste Sturm, und es war unmöglich vorauszusagen, wie lange sie dann dort festsitzen würden. Er beschloss, seine Entscheidung davon abhängig zu machen, ob sich in der Hütte Vorräte befanden; dann konnten sie den Sturm dort abwarten. Ansonsten würden sie den Pass erklimmen und hoffen, mit dem Schnee fertigzuwerden.
    Als sie die Lichtung erreichten, erkannte Han die eingeschneite kleine Holzhütte mit dem behelfsmäßig angebauten Pferdeschuppen sofort wieder. Aber Ragger verhielt sich plötzlich störrisch, blieb abrupt stehen und warf den Kopf zurück. Seine Nüstern flatterten, als würde er eine Gefahr wittern, die in der schneidend kalten Luft lag.
    In diesem Moment bemerkte Han die Leichen.
    Es waren acht oder zehn, die jeweils in kleinen Grüppchen dalagen, als wären sie kämpfend zu Boden gegangen. Schnee hüllte sie in eine zerknitterte Decke, als hätte der Schöpfer versucht, sie zur Ruhe zu betten.
    Han nahm seinen Bogen aus der Satteltasche und machte sich mit halb erfrorenen Fingern an der Bogensehne zu schaffen,

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