Der Wolkenatlas (German Edition)

einen Techniker beim Soundcheck, auf einem anderen diskutiert ein Fernsehteam über Licht und Kameraperspektive; Fay Li überquert mit einer Besucherin den Parkplatz; Kellnerinnen füllen mehrere hundert Weingläser; eine Reihe Stühle unter einem Transparent mit der Aufschrift SWANNEKKE B – EIN AMERIKANISCHES WUNDER.
    Das eigentliche Wunder ist, grübelt Joe Napier, dass wir elf von zwölf Wissenschaftlern dazu gebracht haben, die neunmonatige Testphase zu vergessen. Auf einem der Monitore betreten exakt jene Wissenschaftlerfreundschaftlich miteinander plauschend die Bühne. Wie Grimaldi gesagt hat, in jedem Gewissen versteckt sich ein Aus-Knopf . Napier ruftsich noch einmal die denkwürdigen Sätze ins Gedächtnis, die inden Gesprächen eine kollektive Amnesie bewirkt haben. «Unter uns gesagt, Dr.   Franklin, die Anwälte des Pentagons sind ganz wild drauf, die funkelnagelneuen Sicherheitsgesetze anzuwenden. Jeder Lohnempfänger in diesem Land, der auspackt, landet auf der schwarzen Liste.»
    Ein Hausmeister stellt einen weiteren Stuhl auf die Bühne.
    «Die Sache ist ganz einfach, Dr.   Moses. Wenn Sie wollen, dass uns die Sowjets technologisch im Regen stehen lassen, spielen Sie besagten Bericht dem Verband der kritischen Wissenschaftler zu, fliegen nach Moskau und holen sich Ihren Orden ab. Der CIA lässt allerdings ausrichten, dass Sie sich das Rückflugticket sparen können.»
    Das Publikum aus Würdenträgern, Wissenschaftlern, Experten und Meinungsbildnern nimmt seine Plätze ein. William Wiley, der Seaboard-Vize, scherzt mit den Prominenten, die mit einem Platz auf der Bühne geehrt wurden.
    «Professor Keene, die hohen Tiere aus dem Verteidigungsministerium sind ein bisschen neugierig. Warum bringen Sie Ihre Bedenken erst jetzt zum Ausdruck? Soll das etwa heißen, Sie haben bei der Arbeit am Prototyp … gepfuscht?»
    Auf einer Leinwand erscheint eine kunstvoll verzerrte Luftaufnahme von Swannekke B.
    Elf von zwölf. Nur Rufus Sixsmith ist entwischt.
    Napier spricht in sein Walkie-Talkie. «Fay? Noch zehn Minuten bis Veranstaltungsbeginn.»
    Rauschen. «Verstanden, Joe. Ich begleite eine Besucherin zum Vortragsraum.»
    «Melden Sie sich anschließend bitte beim Sicherheitsdienst.»
    Rauschen. «Verstanden. Ende.»
    Napier wiegt das Funkgerät in der Hand. Und Joe Napier? Gibt es in seinem Gewissen auch einen Aus-Knopf? Er nippt an seinem bitterenschwarzen Kaffee. Hey, Kumpel, hör auf, mich zu nerven. Ich befolge nur meine Befehle. Noch achtzehn Monate bis zur Pensionierung, dann heißt es angeln in rauschenden Flüssen, bis ich mich in einen gottverdammten Reiher verwandle.
    Seine verstorbene Frau Milly beobachtet ihn von dem Foto auf seinem Schaltpult.
     
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    «Unser großartiges Land leidet an einer fatalen Sucht.» Alberto Grimaldi, Seaboard-Chef und vom Newsweek zum Mann des Jahres gekürt, ist der König der dramatischen Pause. «Und diese Sucht heißt Öl.» Die Scheinwerfer auf dem Podium tauchen ihn in goldenes Licht. «Nur vierundsiebzig Milliarden Gallonen des kostbaren jurassischen Meerschlamms sind im Persischen Golf noch übrig, warnen uns die Geologen. Genug, um uns bis zum Ende des Jahrhunderts zu versorgen? Kaum. Die drängendste Frage, mit der die USA konfrontiert sind, meine Damen und Herren, lautet daher ‹Was dann?›.»
    Alberto Grimaldi lässt den Blick über sein Publikum schweifen. Du hast sie in der Hand . «Manche stecken die Köpfe in den Sand. Andere phantasieren von Windturbinen, Wasserkraft und …» – Anflug eines ironischen Lächelns – «Schweinefürzen.» Anerkennendes Kichern. «Wir bei Seaboard befassen uns mit Realitäten.» Mit erhobener Stimme: «Und so kann ich Ihnen heute mitteilen, dass wir, hier auf Swannekke Island, das Mittel gefunden haben, das uns ab sofort von unserer Sucht befreien wird!»
    Er lächelt, während die Beifallsrufe langsam verebben. «Heute ist der Tag, an dem die einheimische, flächendeckende, sichere Atomenergie erwachsen geworden ist! Freunde, ich bin ungeheuer, ungeheuer stolz, Ihnen eine der größten technischen Innovationen der Menschheitsgeschichte präsentieren zu dürfen … den HYDRA-Zero-Reaktor!» Auf der Leinwand erscheint ein Querschnittsdiagramm, und ein instruierter Teil des Publikums bricht in frenetischen Applaus aus, der das Gros der anderen mitreißt.
    «Aber genug geredet, ich bin ja nur der Boss.» Herzliches Gelächter. «Die Seaboard-Familie hat die große Ehre, einen ganz besonderen Gast zu