Der Wüstendoktor
jordanische Wüste kennt, dieses von Feuerbündeln der Sonne vernichtete Land, die Sanddünen, die kahlen, grauweißen Felsen, die Geröllfelder und die einsamen Wadis, die seltenen Wasserstellen, die in der staubenden, glühenden Weite fast wie Geschwüre wirken, und die Oasen mit den aus Steinen und Lehmstaubziegeln gebauten Hütten, wer hier an einem Feuer aus getrocknetem Kamelmist gesessen hat, den beizenden Rauch in den Augen, vor sich die Unendlichkeit einer in Glut gestorbenen Welt, der weiß, daß die Menschen, die hier leben, die letzten Verfluchten dieser Erde sind.
El Muwaqqar bildete keine Ausnahme. Im Schutz der bizarren Felsenlandschaft, die keinen Schatten spendete, nur des Abends, wenn die Sonne unterging, rot und violett leuchtete, erregend schön, als sollte es bitterer Hohn sein, standen die Häuser und wehten die Wände einer provisorischen Zeltstadt im ewigen Wüstenwind. Es waren weiße und hellgrüne Zelte, in den felsigen Boden gepflockt. An der kahlen, ausgeglühten Wand eines Hügels stand ein langgestrecktes Steilwandzelt, auf dessen Dach ein großes Rotes Kreuz leuchtete.
Das war das erste, was Vandura auffiel, als er vom Flugplatz Sarqa, der seit dem Krieg vergessenen Landepiste mitten in der Wüste, mit einem Jeep nach El Muwaqqar gebracht wurde. Von einem Hochplateau, über das die nur Eingeweihten sichtbare Route führte, sah er plötzlich in der flimmernden Ferne, einer Fata Morgana gleich, über den Boden schwebend, unwirklich und doch deutlich, einen weißen langgestreckten Fleck mit einem Kreuz.
»Habe ich Halluzinationen?« fragte er und stieß Dr. Karabasch an, der neben ihm hockte, ganz kriegerisch, in einer hellbraunen Uniform mit Kopftuch und einer MP in den Händen. Auf dem Flugplatz hatte er sich umgezogen. Die völlige Verwandlung eines Menschen. Der elegante Mann von der Hotelterrasse des Saint Georges war tot.
»Nein. Sie sehen richtig. Das ist unser Lazarett. Wenn es uns möglich ist, fliegen wir unsere Schwerverletzten nach Sarqa und bringen sie hierher. Uns stehen zwei Krankenwagen zur Verfügung. Beutefahrzeuge von den Israeli.«
Dr. Vandura band das Taschentuch fester um seinen Mund und seine Nase. Der staubfeine Sand drang überall ein, jegliche Kleidung war ein Witz, die schweißige Haut überzog sich mit einer Schicht feinsten Sandes und wurde zu einem knirschenden Panzer.
»Mein neues Arbeitsfeld also?« sagte er zwischen den Zähnen. Selbst die Lippen unter dem nassen Taschentuch waren wie gepudert.
»Nur wenn Sie wollen, Kollege. Sie werden sich übrigens wundern: Ein großer Teil unserer Bruderschaft spricht deutsch. Wir haben alle gern in Deutschland studiert und gearbeitet. Wir lieben und achten die Deutschen. Es gibt eine traditionelle Freundschaft zwischen Arabern und Deutschen.«
Vandura wunderte sich nicht – er hatte spätestens bei der Landung auf dem vergessenen Militärflugplatz Sarqa das Wundern verlernt. Da lag mitten in der Wüste, schutzlos unter einer Sonne, die wie glühendes Blei vom Himmel tropfte, umgeben von einer heißen Trostlosigkeit, eine gewalzte Landepiste. Zwanzig Lastautos waren wie zu einer Wagenburg zusammengefahren, mit Zeltleinwand miteinander verbunden, ein armseliges Camp unter einem Brennspiegel. Um die Wagenburg herum standen dunkel und drohend neun Panzer, drei offene Wagen mit aufmontierten überschweren Maschinengewehren, drei Flaks und ein Tankwagen voll Wasser.
»Es wäre möglich«, erklärte Karabasch, als sie aus dem Hubschrauber kletterten, der sie von Amman in die Wüste gebracht hatte, »daß König Hussein auf die verrückte Idee käme, uns Einiger der arabischen Welt als Störenfriede anzusehen. Wer weiß, was in einem Königshirn vorgeht? In einem solchen Fall sind wir gerüstet – die reguläre jordanische Armee fürchten wir nicht, die Luftwaffe ist ein Witz, die Panzertruppe ist zu unbeweglich –, das einzige ist des Königs Beduinentruppe. Sie ist phantastisch. Aber was sind Hedschaskamele gegen MGs und Panzerkanonen? Das wollte ich Ihnen zeigen. Wir hätten auch direkt in El Muwaqqar landen können, aber Sie sollten sehen, daß unsere Revolution einen realen Boden hat und nicht nur utopischer Traum ist.«
Als sie das Plateau verließen, kamen dem kleinen Jeep zwei schnelle Schützenpanzer entgegen. Sie bliesen eine Staubwolke vor sich her, hielten auf halber Strecke zwischen dem Lager und der Straße und schwenkten die Geschütze ein. Als sich die Staubwolken senkten, standen sie
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