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Der Wüstendoktor

Der Wüstendoktor

Titel: Der Wüstendoktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Medizinstudentin im achten Semester.«
    »Davon vier in Deutschland, was?«
    »Sie Hellseher. Jetzt studiert sie an der Medizinischen Fakultät der St.-Josephs-Universität von Beirut. Das heißt, sie hat unterbrochen. Sie ist eine Braut der Revolution geworden.«
    »Welch eine traurige Liebe!«
    Das Mädchen am OP-Tisch fuhr herum. Große, runde, dunkelbraune Augen in einem schmalen, wie auf gebräuntem Pergament gemalten Gesicht. Ein Kopf wie auf den byzantinischen Ikonen oder den indischen Elfenbeinminiaturen. Ein unerklärbarer Zauber von jahrhundertealter Vollkommenheit wehte Vandura an. Er verbeugte sich knapp und trat an den OP-Tisch.
    »Liebe Witwe – denn die Revolution wird sterben –, ich wollte mit der eben gemachten Bemerkung nicht in Ihr Seelenleben eingreifen. Ich heiße Vandura.«
    »Und ich verachte Sie!« Laila Husseini warf die Verbandschere auf den Boden. Der OP-Tisch stand auf einer Art Podium aus Holz – darum herum war Wüstenboden. Sand, Geröll, harte, bleiche Grasbüschel.
    »Von der ersten Minute an?«
    »Schon bevor Sie kamen!«
    »So schlechte Erfahrungen gemacht in Deutschland?«
    »In Deutschland war ich glücklich!« Die riesigen herrlichen Augen schleuderten Feuer. »Aber die Revolution ist wichtiger.«
    »Natürlich. Ihr Bettgenosse ist das Gewehr?«
    »Ja!« Sie schrie es ihm ins Gesicht, beugte sich zu diesem Zwecke vor und bleckte die kleinen, weißen Zähne. »Typen wie Sie werden wir von der Erde fegen.«
    »Zuerst lassen Sie aber diesen Typ sich um die Verwundeten kümmern. Ich sage Ihnen, wenn ich fertig bin. Sie können dann den großen Besen zum Wegfegen holen –«
    Laila Husseini ballte die Fäuste. Sie wollte ihm etwas Haßerfülltes entgegenschreien, aber ein kleiner Wink Karabaschs stoppte ihre Wut. Sie drehte sich herum, riß die Mullhaube vom Haar, schüttelte die kurzen schwarzen Haare um ihren schmalen Kopf und stampfte aus dem OP-Zelt. Sie trug Stiefel unter dem weißen Kittel – es sah sehr kriegerisch aus.
    Karabasch lachte verhalten und klopfte Vandura auf den Rücken. »Bei Laila haben Sie verloren bis an der Welt Ende. Ich habe noch nie eine Frau gesehen, die so voll und ganz nur der Revolution lebt. Man könnte sie wie eine Fahne vorantragen.«
    Vandura beugte sich über das vom Eiter angefressene Bein. »Ein Wunder von Frau – und Braut der Revolution! Da stimmt etwas nicht im Körperhaushalt.« Er sah über den von Dr. Ashraf vorbereiteten Instrumententisch, nahm eine lange Sonde und stocherte in dem zerfetzten Bein herum. Der Verwundete knirschte mit den Zähnen, aber er schrie nicht. Wie könnte ein Gläubiger vor einem Ungläubigen Schwachheit zeigen! »Da ist ja noch ein Splitter drin! Man hat ihn vergessen. Sauerei, Dr. Karabasch.«
    »Ein Kinderarzt versteht etwas von Masern, aber nicht von Granatsplitterwunden …«
    »Ich operiere sofort. Wer kann assistieren?«
    »Dr. Ashraf und natürlich Laila.«
    »Dann los! Keine langen Worte mehr! Rufen Sie die Braut der roten Fahne. Haben wir Narkosemittel?«
    »Äther, Morphium, etwas Scophedal und einen dreihundert Gramm schweren massiven Hammer.«
    »Man könnte sich wie zu Hause fühlen!« Vandura ging an die Zeltwand. Dort stand in einem Eisengestell eine Waschschüssel mit Desinfektionslösung. Eine rosa Brühe, sehr stark nach Zephirol duftend. »Was ist denn das?«
    »Eine Lösung aus der Sowjetunion.«
    »Darum so rot. Das nennt man Konsequenz.« Vandura tauchte die Hände in die Flüssigkeit, es brannte etwas auf der Haut, aber er hatte das Gefühl, wirklich steril zu werden. Mit tropfenden Händen kehrte er zum Tisch zurück. Hinter ihm trat Dr. Ashraf an das Becken, dann Laila. Ihre Augenbrauen waren verkniffen, die Lippen ein dünner roter Strich. Aber sie waren rot, was sie vorher nicht waren. Sie hat sich geschminkt, dachte Karabasch. Sieh an, die Braut der Revolution. Ein Weibchen bleibt sie doch!
    Dr. Ashraf machte die Narkose. Es ging schnell, ohne große Umstände. Er stülpte dem Verwundeten die Maske über die Nase, schüttete aus der Ätherflasche einen Schuß darüber, trat schnell zurück, um nicht selbst narkotisiert zu werden, und wartete, bis sich der Verletzte streckte und mit dem leisen Stöhnen aufhörte. »Fertig!« sagte er dann auf arabisch. Laila dolmetschte.
    »Fertig.«
    Vandura starrte betroffen auf den Verwundeten und die Äthermaske. Sie haben Ochsennaturen, dachte er. Sie überleben das wirklich! Allah muß doch gegenwärtig sein – hier lernt man, daran zu

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