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Der Wüstendoktor

Der Wüstendoktor

Titel: Der Wüstendoktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Karten oder Schach, lasen alte Illustrierte, schrieben Briefe, die vielleicht nie befördert wurden, und zogen die Köpfe ein, wenn es draußen krachte, die Fenster durch den Luftdruck der Detonationen klirrten und sich in den Rahmen bogen. Das kleine Heer der Reporter bildete eine geschlossene Gruppe für sich. Sie saß auf Koffern und Stühlen, umgeben von ihren Kameras und Tonbandgeräten, und wartete auf die Erlaubnis der Revolutionsregierung, das Hotel zu verlassen und Bilder vom Kampfgeschehen einzufangen. Was man von den Fenstern aus knipsen konnte, war bereits im Kasten.
    Katja zögerte, als sie in der Halle war und hundert Blicke auf sie und Laila fielen. Jetzt, dachte sie. Jetzt! Sind es denn alles Feiglinge?!
    Laila spürte ihr Zögern und faßte sie am Arm. Ihr Griff war hart, die Finger bohrten sich in das Fleisch.
    »Schreien Sie!« flüsterte sie Katja zu. »Hier stehen zehn Maschinenpistolen herum – das ist ein Argument des Gehorsams!«
    Katja gab sich einen Ruck. Sie blieb stehen und sah sich um. Braune, unbewegte Gesichter der Araber, weiße, bleiche, von Angst gezeichnete Gesichter der Europäer.
    »Man will mich ins Intercontinental bringen!« rief sie laut. »Durch die Kampflinien. Aber ich weigere mich. Sie sehen alle, daß man mich zwingt. Hilft mir denn keiner?«
    Schweigen. Die Hotelgäste blickten zu Boden. Niemand rührte sich – nur die Augen tasteten zu den Maschinenpistolen der Guerillas. Hilft mir keiner? Welche Frage. Der Mut verringert sich mit dem Wachstum der Todeschance.
    Katja blieb stehen, auch als Laila ihr einen Stoß in den Rücken gab. Jeder sah es, aber niemand wagte einen Protest.
    »Sind denn hier nur Feiglinge?« schrie Katja. »Sie sehen ruhig zu, wie man mich verschleppt?«
    »Man wird Sie in Sicherheit bringen«, sagte jemand aus dem Hintergrund. »Das Intercontinental ist in der Hand der Königsarmee. Ihnen wird es besser ergehen als uns.«
    »Aber ich will nicht! Ich bin ein freier Mensch! Ich habe das Recht auf einen eigenen Willen! Aber Sie haben ja alle Angst, ganz gemeine Angst. Sie bieten ein Bild des Jammers …«
    Die Hotelgäste schwiegen. Eine Mauer umgab Katja, die sie nicht schützte, sondern nur isolierte. Ein Reporter, der von Katja ein Foto machen wollte, wurde von zwei Rebellen in die Mitte der Hotelhalle geholt und mit Gewehrkolben geschlagen. Die Kamera trug man weg.
    Die Demonstration der Macht.
    In den Gruppen der Europäer rumorte es. Aber sie bewegten sich nicht – die Läufe der Maschinenpistolen waren in Höhe ihrer Mägen gehoben. Es ist etwas Scheußliches, eine Garbe in den Bauch zu bekommen.
    »Gehen wir jetzt?« fragte Laila. Ihre Stimme troff von Spott. »Nehmen Sie Abschied von den weißen Helden.«
    Katja blickte sich noch einmal um. Harte Gesichter, empörte Augen, geballte Fäuste, schnelleres Atmen – aber keine Aktion, keine Bewegung, nur Ohnmacht vor dem Terror.
    »Wagt es wenigstens einer von Ihnen, Herrn Dr. Vandura von mir zu grüßen, wenn er noch einmal ins Hotel kommt?« fragte sie. »Sagen Sie ihm, daß ich in der Nähe bleibe. Wenn man mich zwingt, Amman zu verlassen, fliege ich nach Beirut. Dort werde ich auf ihn warten. Kann das jemand von Ihnen bestellen?« Und als auch auf diese Frage nur Schweigen antwortete, sagte sie laut: »Ich danke Ihnen!«
    Dann wandte sie sich brüsk ab und ging zur Tür. Laila folgte ihr. Nach Beirut dachte sie voll Haß. Nie wirst du Beirut wiedersehen, nie. Es sind deine letzten Schritte, die du jetzt gehst.
    Sie traten hinaus auf die Straße und in die grelle Sonne. Aus den Gassen trug der Wind den süßlichen Geruch von Leichen herüber. Geier kreisten über den Dächern mit vorgereckten widerlich nackten Hälsen. Von der Hauptpost her und aus der Mitte der Stadt dröhnten Granatwerferfeuer und die dumpfen Abschüsse der Panzerkanonen. Drei Sanitätswagen rasten mit quietschenden Reifen um die Ecke und hüpften die Straße am Römischen Theater entlang zum Lazarett der Guerillas.
    »Weißt du, wer ich bin?« fragte Laila und blieb stehen. Sie drückte Katja in den Schatten einer Haustür und holte ihren Revolver aus der Hosentasche.
    »Ein Mädchen, das mich erschießen will.« Katja sagte es völlig ruhig. Sie wunderte sich, wie gleichgültig es ihr plötzlich war, ob sie gleich weiterlaufen würde oder hier in einer Haustürnische erschossen in den Staub rollte.
    »Ich bin Laila Husseini und liebe den Hakim-Pascha –«
    Eine Weile war es still zwischen ihnen. Sie musterten sich, sie

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