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Der Wüstendoktor

Der Wüstendoktor

Titel: Der Wüstendoktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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erdolchten sich mit Blicken, aber nun, da Katja wußte, daß es um Ralf ging, nicht um Jordanien, das große arabische Reich, die Vernichtung Israels, die Wiedergeburt des islamischen Orients, nicht um ein Exempel zur Aufrüttlung der trägen Welt, sondern einzig und allein nur um Vandura, verlor sie die letzte Scheu vor Laila. Ein Privatkrieg zwischen zwei Frauen – wie elend war die Revolution zusammengeschrumpft.
    »Ich habe ihn vor dir geliebt«, sagte Katja hart.
    »Er hat dich vergessen.«
    »Er kann die große Liebe nicht vergessen.«
    »Er ist geflüchtet. Vor dir geflüchtet in meine Arme.«
    »Man hat ihn weggetrieben durch falsche Beschuldigungen. Aber er ist unschuldig. Er weiß es jetzt. Ich habe es ihm gesagt. Er kann jederzeit zurück nach Deutschland kommen – und er wird kommen. Mit mir!«
    »Nie wird er das, nie. Wir haben zusammen im Wüstensand gelegen, und das ist mehr als der Segensspruch eurer Priester!« Laila hob den Revolver. »Ich erschieße dich nicht. Warum sollte ich mein Gewissen mit einem Mord belasten? Die Revolution wird dich töten. Los – lauf …« Sie winkte mit dem Revolverlauf zur Straße hin. »Es ist deine Chance. Lauf hinüber zur königlichen Armee. Wenn du sie erreichst, hast du das Glück besiegt. Ich gebe dir eine Minute Vorsprung – nur eine Minute, dann jage ich dich wie eine aussätzige Katze!« Sie trat zurück und gab den Weg frei. »Lauf! Ich sag dir – lauf …«
    Katja blickte über die menschenleere Straße. Die Hitze flimmerte über dem spiegelnden Asphalt. Auf einigen flachen Dächern sah sie Bewegungen – dort hockten die Scharfschützen der Guerillas. Die Geschäfte waren geschlossen, vor die Schaufenster hatten ganz Vorsichtige Bretter genagelt. Nur zwei Hunde, zwei elende, dürre, gelbfellige Hunde, wie aus Wüstensand gebacken, streunten über den Platz, blieben stehen, hoben witternd die Nasen, rochen den Leichengeruch und begannen zu winseln.
    »Wo liegt das Intercontinental?« fragte Katja. Ein Zittern durchlief ihren Körper. Eine Minute Vorsprung – was ist eine Minute? Sie wußte, daß sie es nie schaffen würde. Aber die Chance war ihr gegeben, und sie wollte sie nicht verschenken.
    »Such es.« Laila zog Katja aus der Türnische in die Sonne. Die beiden Hunde schielten zu ihnen hinüber und liefen dann weg in eine enge Nebengasse. »In genau einer Minute folge ich dir.« Laila sah auf ihre Armbanduhr. Katja erkannte sie sofort wieder. Vanduras goldene Uhr.
    »Ich werde Ralf mit mir zurück nach Deutschland nehmen!« schrie sie Laila plötzlich ins Gesicht. »Ja, ich nehme ihn mit! Er gehört mir! Mir allein!«
    Sie warf sich herum und lief los. An der Häuserwand entlang, so wie sie es in vielen Filmen gesehen hatte, wenn Verfolgte Schutz suchen, rannte sie dem Grollen der Kanonen und den peitschenden Abschüssen der Gewehre entgegen. Sie riß sich die Bluse vor der Brust auf und raffte den Rock hoch, um schneller die Beine vorschnellen und tiefer atmen zu können.
    Eine Minute Vorsprung.
    Du rennst nicht allein um dein Leben, du rennst auch um deine Zukunft mit Ralf.
    Diese Glut der Sonne! Der Leichengeruch. Über mir die Geier.
    Sie hörte Rufen und nahe Schüsse. Dann stockte sie. Quer über dem Gehsteig lag verkrümmt ein Toter. Der halbe Kopf fehlte ihm, die Mauer hinter ihm war mit Granatsplittern übersät.
    Katja ballte die Fäuste und sprang über den Toten.
    Weiter, weiter … den Schüssen entgegen. Eine Minute muß längst vorüber sein. Jetzt hetzt sie hinter mir her, diese schwarze, gnadenlose Raubkatze. Laila Husseini … ein Name wie Musik, aber ein Wesen, das statt Blut Gift in den Adern hat.
    Die Straße entlang, um die Ecke, über einen Platz – wieder Rufen, ein paar vereinzelte Schüsse –, sie warf sich an die nächste Häuserwand, huschte in eine Türnische und fiel in einen Flur, als sie sich gegen die Tür lehnte.
    Ein paar Augenblicke blieb sie auf der Erde liegen und drückte beide Hände gegen die Brust. Jetzt erst spürte sie, daß sie keine Luft mehr bekam, wie ihr Herz hämmerte und die Lungen sich nach Sauerstoff blähten.
    Fahle, stinkende Dämmerung war um sie. Es roch nach kaltem Hammelfett und einem Gemisch von Blumen und Kloake. Katja schob sich an der rauhen Lehmwand empor und sah sich um. Der Flur endete auf einem Hof, einem der typischen arabischen Innenhöfe, in denen der Zauber des Orients weiterlebt. Nach außen, zur Straße, ist ein arabisches Haus meistens kahl, verschlossen, armselig,

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