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Der Wüstendoktor

Der Wüstendoktor

Titel: Der Wüstendoktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Pfarrer Puff aussprechen kann …«
    »Auch dort wohnen unsere Schwestern, mein Sohn.« Der Bus ruckte an, fuhr einen Halbkreis, als wollte er vor dem Hotel eine Ehrenrunde drehen, und ratterte dann die Hashimi Street hinunter. An der großen Kreuzung bog er in die King Talal Street ein und rasselte der herrlichen Hussein-Moschee mit ihren zwei schlanken Minaretts entgegen.
    Es war, als kämen sie in eine andere Welt. Das bunte Leben einer orientalischen Großstadt umgab sie mit all seiner schillernden Vielfalt. Hier, unmittelbar an der Front, wo sich Rebellen und Königstreue gegenüberstanden, wogte seit Stunden wieder die normale Geschäftigkeit. Amman war keine tote Stadt mehr – nach den Tagen des Schreckens und des Grauens quoll sie jetzt über von angestauter Lebenslust. Der befristete Waffenstillstand, der sich sofort wie ein Lauffeuer herumsprach, wirkte wie Wasser auf eine verdurstende Pflanze – die Freude, das Leben gerettet zu haben, blühte auf. Überall sah man die Trupps mit den niedrigen Karren und ihrer schrecklichen Last – die Totenräumkommandos, die die zerfetzten, von der Hitze aufgedunsenen, in Verwesung übergegangenen Leichen aus den zerschossenen Häusern und aus den Straßenecken holten.
    Noch einmal gab es eine kritische Minute, als die Busse in der Nähe der Kreuzinsel King Talal Street und Wadir Sroor Street hielten. Hier ging der Weg direkt zum Flüchtlingslager Dschebel Aschrafije und Wachdat, das Lager, wo 500.000 Flüchtlinge aus Palästina in Zelten und elenden Bretterhütten hausten, eine Großstadt des Elends und der Armut, der Trostlosigkeit und der unersättlichen Rache. Hier lag der Nachwuchs für alle Revolutionen in den Zelten, hier wurde die Jugend, kaum daß sie gehen konnte, für den Haß erzogen – mit Holzgewehren, mit blechernen Dolchen, mit wilden Rachegesängen. Hier suchte sich Dr. Karabasch seine neuen Rebellen aus – ein unerschöpfliches Reservoir, das von Tag zu Tag größer wurde, denn die Frauen gebaren, wie Maschinen Waffen herstellten.
    Jenseits der Straßenkreuzung, auf der King Talal Street, erwartete ein Kommando der Königstruppen die Busse. Es waren Angehörige der gefürchteten Beduinenarmee, finstere Gesellen in langen Haikhs, mit Waffen wie bespickt.
    Die Rebellen stiegen aus und übergaben die Busse und die Geiseln. Ein Offizier reichte die Listen seinem feindlichen Bruder hinüber und grüßte militärisch. Das alles vollzog sich ohne große Worte, ganz ohne den orientalischen Lärm, den man gewöhnt war. Die neuen Fahrer kletterten hinter die Lenkräder und ließen die Motoren wieder an. Ein Jeep, der den Bussen nachgefahren war, nahm die Rebellen auf und entrollte plötzlich die Fahne der Revolutionäre.
    In diesem Augenblick geschah etwas Schreckliches. Die Beduinen des Königs hoben wie auf ein Kommando ihre Waffen und schossen von allen Seiten auf die flüchtenden Rebellen. Der Jeep hüpfte, als fahre er auf Ballonrädern, kippte dann in voller Fahrt um und schleuderte die Revolutionäre auf den Weg. Hier erreichten sie die Kugeln der Beduinen – sie fielen übereinander und nebeneinander in den Staub, es gab keine Möglichkeit mehr der Flucht oder der Deckung. Zwei Jordanier, denen man die Beine weggeschossen hatte, krochen auf den Knien über die Straße und hoben schreiend die Arme.
    Ruhig, wie beim Übungsschießen, standen die Beduinen nebeneinander und gaben den Bettelnden den Fangschuß. Die Frauen im Bus kreischten laut, Männer hielten den Kindern die Augen zu, eine Frau wurde ohnmächtig und rollte unter den Sitz. Pfarrer McClean war aufgesprungen, zu spät hielt ihn Perkins am Rock fest.
    »Das ist Mord«, brüllte er. »Mord. Auch Rebellen gegenüber gilt ein Ehrenwort.«
    Der Fahrer drehte sich um, der Beduinenoffizier neben ihm winkte McClean mit beiden Händen zu. »Bleiben Sie sitzen, Sir«, sagte er in einem gepflegten Englisch. »Warum haben sie die Fahne gehißt? Es war eine Provokation. Ich kann meine Jungs nicht halten, wenn sie so etwas sehen. Sie handelten impulsiv.«
    »Das ist eine Lüge«, brüllte McClean zurück. »Ich werde der Welt von diesem Mord erzählen.«
    »Die Welt, wie Sie es nennen, wird das nie verstehen. Hier in der Wüste herrschen andere Gesetze. Setzen Sie sich, Sir – wir fahren weiter …«
    »Richtig, setzen Sie sich hin und halten Sie den Mund«, sagte ein dicker Mann, ein Holländer, der Käsereimaschinen verkaufte. »Kümmern wir uns nicht um innerjordanische Angelegenheiten. Wollen Sie

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