Der Wüstendoktor
Paradies?«
»Ihr kennt ihn nicht. Ihr kennt ihn alle nicht. Ihr könnt nur als Männer denken – aber ich bin eine Frau. Ich fühle …«
»Eben weil Vandura ein Mann ist, weiß ich, wie er handelt.« Karabasch drückte Laila an den Schultern aufs Bett zurück und deckte sie wieder zu. Sie lag auf der Seite, und ihre schwarzen Augen glühten. Ein Feuer brannte in ihr, das niemand erkannte, auch Karabasch nicht, der sich rühmte, Laila zu kennen wie sein eigenes Herz. »In zwei Stunden ist er wieder bei dir. Und nun laß dir die Spritze geben. Die Revolution braucht dich …«
Laila schwieg. Sie lag still, als Ashraf ihr die Nadel ins Gesäß stieß und das Schmerzmittel injizierte. »Und wenn er nicht wiederkommt?« fragte sie plötzlich. Karabasch, der gerade an die Möglichkeit dachte, König Hussein durch einen ›Todestrupp‹ ermorden zu lassen, zuckte zusammen.
»Warum sollte er nicht?«
»Ich fühle es. Seine Liebe in dieser Nacht war anders.«
»Weil du verwundet bist, Laila!«
»Seine Gedanken waren woanders – weit, weit weg von hier –. Seine Haut war kalt …«
Karabasch warf einen schnellen Blick zu Ashraf. Der zuckte hilflos mit den Schultern und hob den Blick an die Decke.
»Er kann gar nicht flüchten«, sagte Karabasch hart. »In die Busse kommen nur die Flugpassagiere. Wir haben die Flugliste und rufen sie einzeln auf. Es besteht gar keine Möglichkeit, daß er sich mit in den Bus schmuggelt. Außerdem muß er Nolet versorgen – bis an die Tür des Wagens. Dort aber stehen unsere Brüder, und jeder kennt den Hakim-Pascha … Eher blühen im Ard es Sauwan Rosen, als daß Hakim-Pascha uns verlassen könnte.«
Ashraf nickte zustimmend, und selbst Laila sah Karabasch groß und nachgebend an.
Ard es Sauwan – das war ein Begriff. Hier war die Wüste mehr als ein von Allah vergessenes Land … Hier hörte alles Leben auf. Im Ard es Sauwan gab es nur Sand, Glut und Tod.
Der Abtransport der Geiseln verlief so, wie es Karabasch gesagt hatte. Ein Offizier der Rebellen verlas die Namen der Passagiere, und einer nach dem anderen kletterte nach seinem Aufruf in den Bus. Auch Pierre Nolet wurde aufgerufen – und der alte, kranke Mann schritt, bei zwei anderen Männern untergehakt, zur Tür des Wagens und wurde hinaufgehoben und hineingezogen. Keuchend, nach Atem ringend, so wie man Nolet kannte, fiel er auf seinen Sitz und schloß erschöpft die Augen.
Der Offizier unten am Bus hakte den Namen ab. Pierre Nolet – erledigt. Laura Perlucci wurde auf einer Trage gebracht – ihre Kaiserschnittoperation hatte sie gut überstanden, aber sie war noch zu schwach, um selbst gehen zu können. In den Armen hielt sie, in bunte Tücher gewickelt, ihr Kind. Die Reporter, die im Philadelphia zurückblieben, um für ihre Zeitungen zu berichten, fotografierten sie von allen Seiten. Die Funkberichter sprachen ihre Eindrücke auf Band. Die Frau, die Dr. Vandura rettete, das Kind, das im Glutkasten eines entführten Flugzeugs mitten in der Wüste zur Welt kam, werden jetzt in den Bus gehoben – die Frau lächelt glücklich, in wenigen Stunden wird ihr Martyrium vorbei sein, wird sie in einem sauberen Bett liegen, werden sich Ärzte um sie kümmern, wird ihr Mann an ihrem Bett sitzen –, aber die schrecklichen Tage in der Wüste wird sie nie vergessen, die Stunden der Todesnähe, als es hieß, man würde die Flugzeuge mitsamt den Passagieren in die Luft sprengen …
Dann waren die Busse beladen, die Türen klappten zu – die Fahrt in die Freiheit konnte beginnen. Pfarrer McClean saß hinter Vandura und legte jetzt beide Hände auf dessen Schultern.
»Wie fühlen Sie sich, Doktor?«
»Miserabel.«
»Warum?«
»Irgendwie komme ich mir doch wie ein Verräter vor.«
»Kein Grund dazu. Einer der Reporter, der ein Funkgerät bei sich hat, nahm übrigens vorhin einen Funkspruch eines Kollegen aus dem Hotel Intercontinental auf. Katja Hellersen ist im Hotel. Sie hat sich durchgeschlagen. Und nun lachen Sie einmal, Doktor – wissen Sie, wer ihr geholfen hat? Wer sie über die Linien brachte? Eine Puffmutter aus der Altstadt.«
Vandura blieb in seiner gekrümmten Haltung sitzen. Noch fuhren sie nicht, noch wurden sie von den Rebellen, die die Busse umstanden, beobachtet. Noch mußte er Nolet sein. Aber in seine Augen kam ein freudiger Glanz.
»Katja lebt?« sagte er glücklich. »Das war die beste Nachricht seit langem. Aber eines wundert mich.« Vandura sah dabei den Pfarrer an.
»Was denn?«
»Daß ein
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