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Der Wüstendoktor

Der Wüstendoktor

Titel: Der Wüstendoktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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mit Ihrer großen Fresse unseren Rücktransport erschweren?«
    »Vor unseren Augen wurden neun Menschen ermordet.«
    »Im Zweiten Weltkrieg wurden 55 Millionen erschossen, und keiner will heute mehr etwas davon wissen. Halten Sie den Mund, Pfarrer. Wenn's sein muß, beten Sie. Aber denken Sie daran, daß wir jetzt in die Freiheit fahren. Das allein ist wichtig …«
    Die Busse ruckten wieder an. Vor ihnen lag die breite Straße zum Dschebel Amman. In der Sonne leuchteten auf den Hügeln die weißen Prachtbauten. Villen, Gärten, Brunnen, Palmenhaine – eine Postkarte des Reichtums.
    Pfarrer McClean setzte sich. Er senkte den Kopf und legte beide Hände über das Gesicht. An seinen zuckenden Schultern sah man – er weinte.
    Nach einer halben Stunde erreichten sie das Hotel Intercontinental auf dem Dschebel Amman. Eine Woge von Reportern umringte die Busse, unter ihnen auch Bernd Zobel. Der Zufall wollte es, daß er für ein Foto gerade die Bustür erreichte, als Vandura heraussprang. Zobel, der ein ausgeprägtes Personengedächtnis besaß, starrte Vandura ungläubig an.
    »Sagen Sie mal«, rief er und hielt Vandura fest. »Sind Sie nicht der todkranke Pierre Nolet? Gestern lagen Sie doch fest in Agonie im Bett. Und jetzt hüpfen Sie herum wie ein Böckchen. Da stimmt doch was nicht. Reden Sie, Mann – Zobel macht aus Ihnen Schlagzeilen.«
    »Ein Knüller wird es«, sagte Vandura mit seiner richtigen Stimme. »Aha, jetzt verliert er die Sprache.«
    Zobel sah Vandura nach und vergaß, sein Foto zu schießen. »Das war doch …« stotterte er. »Das ist doch …« Dann warf er die Arme hoch und schrie: »Vandura! Natürlich! Vandura. Bleiben Sie stehen – das ist das Foto meines Lebens. Haben Sie ein Herz für Tiere – ich heiße Zobel –, Mensch, Vandura …«
    Er rannte ihm nach, aber Vandura war schneller. Er durchbrach die Mauer der anderen Journalisten, die sofort die Freigelassenen umringten und interviewten, filmten und so hochintelligente Fragen stellten wie: »Wie fühlen Sie sich?« – »Was halten Sie von der Wüste?« – »Wie sind Ihre Eindrücke über diese Revolution?« – »Hat man Sie gut behandelt?«
    Fragen des Alltags an aus der Hölle Entronnene – was soll man da antworten? Die meisten lächelten schwach und sagten nur: »Gut, gut«, oder: »Ich sehne mich nach einem Bad«, oder: »Gott sei Dank ist alles vorbei.« Nur Pfarrer McClean schrie in das hingehaltene Mikrophon: »Mörder haben uns hergebracht.« Es war der einzige Satz, der nachher bei der Sendung im Fernsehen herausgeschnitten war.
    Am Eingang des Hotels stand Katja. Schmal, bleich und mit großen fragenden Augen. Sie sah hinüber zu den Bussen, aber sie wagte nicht zu fragen.
    Habt ihr Dr. Vandura gesehen – wer weiß etwas über Dr. Vandura –. Kann jemand sagen, wie es ihm geht?
    Sie kam sich auch hier wie eine Ausgestoßene vor. Kaum jemand, außer Zobel natürlich, sprach mit ihr … Hakim-Pascha, das war eine Sensation, die man wie scharfen Alkohol trank. Ein Deutscher als Rebellenarzt … Aber die Geliebte dieser Sensation zu sein, war verachtenswürdig. Ein Berliner sprach es einmal bei Tisch deutlich aus: »Er ist ein Arzt, gut. Aber er ist ein Roter, und so etwas sollte man zum Teufel jagen, wo er hingehört. Ärztliches Gewissen, im Namen der Medizin – alles Käse. Wer mit den Rebellen paktiert, ist für mich erledigt.«
    Von da an ging man Katja im Hotel aus dem Weg. »Die Welt besteht zu neunzig Prozent aus Idioten«, tröstete Zobel sie. »Für sie ist das Normale idiotisch. Verdammt, wenn man nur an Vandura herankönnte. Ich zerbreche mir den Kopf, wie man ihn aus der Rebellenhöhle herausholen könnte.«
    Katja sah verwundert hoch, als ein fremder Mensch vor ihr stehen blieb. Ein grauhaariger, blasser Mann mit buschigen Augenbrauen und einem leidenden Gesicht. Er sah sie an, und seine Augen flößten ihr Vertrauen ein.
    »Sie kommen aus dem Philadelphia?« fragte sie.
    Der Mann nickte.
    »Haben Sie Dr. Vandura gesehen? Den Hakim-Pascha?«
    Wieder das Nicken. Katja preßte die Hände aneinander.
    »Wie … wie geht es ihm?« fragte sie tonlos.
    »Gut. Sehr gut … seit dieser Minute.«
    Einen Augenblick versagte alles bei ihr – die Stimme, der Herzschlag, die Gedanken, der Blick, das Gefühl, der Begriff von Zeit und Raum. Dann aber überraschte sie die Erkenntnis – sie breitete die Arme aus und fiel Vandura mit einem Schluchzen um den Hals. Ihr Aufschrei ging in seinen Lippen unter.
    Und Bernd Zobel kam

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