Der Wüstendoktor
in dieser Situation doch noch zu dem Foto seines Lebens.
Am Abend war Hakim-Pascha noch nicht zum Hauptquartier zurückgekehrt. Dr. Karabasch rief viermal im Hotel Philadelphia an und erhielt jedesmal die gleiche Auskunft: »Wir haben Hakim-Pascha nicht gesehen. Er hat diesen Franzosen so weit hingekriegt, daß er allein zum Bus gehen konnte. Seitdem hat keiner mehr den Hakim gesehen.« Und der Hoteldirektor, dem Karabasch am Telefon wütend den Tod androhte, wenn er die Wahrheit verschweige, erzählte mit zitternder Stimme, daß er Hakim-Pascha noch vor zwei Stunden im Park gesehen hätte. Wenigstens glaubte er, daß er es war. »Ich habe ihn nur von hinten gesehen«, stotterte der Hoteldirektor, als Karabasch wieder brüllte und mit Erschießen drohte. »Er trug die bekannte Dschellaba, und auch die Kopfform stimmte. Aber gesprochen habe ich mit Hakim-Pascha kein Wort.«
Der Direktor hatte sich nicht geirrt – aber wer da im Park in den Kleidern Vanduras herumspazierte und damit eine frühzeitige Verfolgung verhinderte, war der amerikanische Journalist Sam Shurf von ›Life‹. Er war noch cleverer als Zobel gewesen und hatte noch in der Halle des Philadelphia von Vandura die amerikanischen Exklusivrechte an dieser irren Story gekauft. Als Zobel das später erfuhr, zerriß er sein Hemd wie ein orientalisches Klageweib und schrie: »Immer diese Amerikaner.«
Nach der vierten ausweichenden Auskunft wurde es selbst Karabasch unheimlich. Er fuhr nach Einbruch der Dunkelheit selbst zum Philadelphia und jagte alle Gäste, die Bewacher, das Personal und alles, was sich gerade im Hotel im großen Speisesaal befand, zusammen. Hier standen sie, eine geballte Masse Angst, und sahen Karabasch aus zitternden Augen an.
»Wo ist Hakim-Pascha?« brüllte Karabasch. »Wenn ich keine klare Antwort bekomme, suche ich zehn von euch aus und lasse sie hier vor euch allen erschießen. Wo ist er?«
Ein Dutzend Stimmen schrien durcheinander, aber soviel hörte Karabasch aus dem Gewirr heraus, daß alle nichts wußten. Mitleidlos suchte er zehn Männer heraus und ließ sie in die Mitte des Saales führen. Sechs Soldaten seiner Leibgarde legten die Maschinenpistolen an. Entsetzen breitete sich stumm über alle aus.
»Wo ist Hakim-Pascha?« fragte er noch einmal in die fürchterliche Stille hinein. Und da antwortete jemand – ein Journalist aus Indien. Er trat vor und verbeugte sich höflich vor Karabasch.
»Und wenn Sie uns alle erschießen lassen, mein Herr«, sagte er fast feierlich, »es gibt keinen, der Ihnen Auskunft geben kann. Wir alle haben den Hakim-Pascha nicht mehr gesehen …«
Karabasch verzichtete auf die Exekution. Er verließ das Hotel, wanderte mit gesenktem Kopf um den Swimming-pool und war tief in Gedanken. Er überdachte noch einmal alles, was möglich war.
Vandura war verschwunden – das aber war gleichbedeutend mit einer Flucht. Wie deutlich Laila es gefühlt hat, dachte Karabasch. Man sollte mehr auf die Frauen hören, auch wenn Mohammed ihnen keine Seele zugestand. Aber einen Instinkt haben sie wie ein Raubtier. Sie wittern die Gefahr, in die wir hineintappen.
Laila! Allah, wie sage ich Laila die Wahrheit?
Er wanderte weiter um das Schwimmbecken und zergrübelte seinen Kopf.
Er kann nicht mit den Bussen gefahren sein – jeder stand auf der Liste. Aber er kann unter einem Bus mitgefahren sein, in dem schmalen Raum, in dem man sonst das Gepäck verstaut. Aber wie konnte er da hineinkriechen, wenn alle Busse mit Wachen umgeben waren? Hatten die ›Brüder der Freiheit‹ geschlafen? Schäkerten sie mit den Frauen, während Vandura in sein Versteck kroch?
»Alle, die an den Bussen Wache standen, melden sich sofort«, schrie er den wartenden Offizieren zu. »Alle. Ich lasse ihnen die Augen ausstechen. Sie haben nichts gesehen, also wozu brauchen sie noch Augen?«
Aber auch diese letzte Möglichkeit fiel zusammen wie ein Kartenhaus. »Es waren Militärbusse«, sagten die Offiziere, als Karabasch sich ausgetobt hatte. »Bei ihnen gibt es keine Gepäckklappen unter der Karosserie wie bei den Reisebussen. Hakim-Pascha muß einen anderen Weg genommen haben …«
»Aber welchen … welchen?« Karabasch warf beide Arme hoch, als könne Allah ihm helfen. Sein Gesicht zuckte. »Ich beschenke den wie einen Emir, der mir einen Rat geben kann.«
Aber keiner antwortete. Sie sahen alle zu Boden und fühlten das gleiche wie Karabasch: Wir haben unseren Hakim verloren. Das andere, das da draußen, das, was wir
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