Der Wüstenpalast
gefährlicher Mann, und deine Tante hatte Glück, dass sie ihm entfliehen konnte, bevor er noch mehr Schaden angerichtet hat. Aber für dich muss das eine verheerende Erfahrung gewesen sein, dies alles mitzuerleben.”
“Das ist richtig”, stimmte sie etwas hölzern zu. “Aber Susan hat ihren Studienabschluss gemacht und ist kurz danach nach Kanada ausgewandert. Jetzt ist sie Geschäftsführerin in einem internationalen Unternehmen.”
“Hat sie wieder geheiratet?”
“Nein.” Bethany musste bei dieser abwegigen Vorstellung fast lachen. “Sie ist sehr ehrgeizig.”
“Dein Vorbild?”
Sie senkte den Kopf. “Ich bewundere Susan für das, was sie nach dieser furchtbaren Zeit aus ihrem Leben gemacht hat”, gab sie zu.
“Manche Frauen schaffen es, Karriere und Ehe miteinander zu verbinden”, murmelte Razul.
“Die Superfrauen meinst du, ja? Das Baby unter einem Arm, den Staubsauger unter dem andern und dann noch einen Riesenhaufen Arbeit, den sie jeden Abend vom Büro mit nach Hause nehmen!”
“Wenn man Personal hat, macht das schon einen Unterschied. Meine Schwester Laila ist jedenfalls beides höchst erfolgreich gelungen. Sobald ihr jüngstes Kind in der Schule war, hat sie mit ihrem Medizinstudium begonnen.”
“Wie, in aller Welt, hat sie das geschafft?”
“Willensstärke und Ahmeds Unterstützung.”
Bethany schmunzelte unwillkürlich. “Ich habe irgendwie den Eindruck, dass Laila bloß mit dem Finger zu schnippen braucht, und Ahmed springt.”
“Das stimmt”, meinte Razul zögernd. “Aber er ist ein fähiger und sehr freundlicher Mann. Laila hat in unserer Familie zahlreiche Tabus gebrochen, und er ist sehr stolz auf ihre Leistungen. Die beiden führen eine glückliche Ehe, eine echte Partnerschaft …”
“Das war nicht als Kritik an Ahmed gemeint”, stellte Bethany klar.
“In jeder Beziehung zwischen Mann und Frau muss es doch ein gewisses Maß an Kompromissbereitschaft geben.”
“Und ich weiß genau, wer gewöhnlich die Kompromisse schließt”, sagte sie sarkastisch. “Nämlich die Frau.”
“Du weißt, dass das nicht immer so ist.”
“Aber häufiger, als es gut ist”, entgegnete sie.
“Willst du etwa behaupten, dass es keine Frauen gibt, die Männer ausnutzen?”
Bethany wurde allmählich böse. “Du gibst wohl nie auf, oder?”
Ihre Blicke trafen sich, und plötzlich schien Bethanys Herz einen Moment lang auszusetzen. Ihn noch immer ansehend, spürte Bethany, wie sich langsam eine gefährliche Hitze in ihrer Magengegend ausbreitete.
“Schau mich nicht so an”, meinte Razul leise.
“Warum denn nicht?”
Mit einem erstickten Stöhnen zog er sie in die Arme und hielt sie so an sich gepresst, dass jeder Zentimeter ihres Körpers mit dem seinen in Kontakt war. Und dann suchte sein Mund ihre sanft geöffneten Lippen, und ein langer Seufzer der Befriedigung entrang sich ihr …
9. KAPITEL
Als Razul Bethany über den Hof bei den Stallungen auf sich zukommen sah, erhellte ein strahlendes Lächeln seine Züge. Er ergriff ihre Hand und stellte ihr den Bewohner jeder einzelnen Box vor, ehe sie schließlich bei einer sanftäugigen Stute angelangt waren, die Bethany zärtlich tätschelte.
“Du magst Pferde”, stellte Razul beinahe verwundert fest.
“Ja sehr, aber in den letzten Jahren bin ich nur selten geritten”, bekannte sie. “Ich werde also etwas eingerostet sein.”
“Hattest du als Kind ein Pony?”
Ein Schatten verdunkelte ihr schönes Gesicht. “Einmal … für kurze Zeit. Sie war eine kleine Schönheit. Auf ihr habe ich im Ponyclub eine wunderbare Saison erlebt.”
“Mir scheint, ich habe eine traurige Erinnerung geweckt. Hat ein Unfall sie dir genommen?”
Bethany presste die Lippen aufeinander und zuckte die Achseln. “Nein. Mein Vater hat sie mir weggenommen. Er behauptete, er würde sie nur für ein oder zwei Wochen an eine gute Freundin ausleihen, aber ich habe das Pony nie wieder gesehen.”
“Er hat sie verkauft?”, fragte Razul mitfühlend. “Vielleicht waren die Kosten zu hoch geworden?”
Bethany lachte freudlos und schwang sich in den Sattel. “Nein, darum ging es nicht. Die gute Freundin war eine Schauspielerin, der er zu der Zeit nachgestellt hat. Sie hatte auch eine kleine Tochter. Er wollte sie mit einem extravaganten Geschenk beeindrucken, und warum ein anderes Pony kaufen, wenn er meins nehmen konnte?”
Ungläubig sah Razul zu ihr auf. “Das ist nicht dein Ernst?”
“Nun, schließlich hatte er das Pony
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