Der Wüstenpalast
ich gerne mit dir teilen.”
“Es hat keinen großen Sinn, dass wir irgendwas miteinander teilen, oder?”, murmelte Bethany angespannt, die unvermittelt von einer Welle schmerzlicher Bitterkeit überflutet wurde.
“Weil du wieder gehen wirst?” Razul erhob sich. “Mutlos wie immer,
aziza.
Wenn ich mit diesem Wissen leben kann, warum du dann nicht auch? Und weshalb sollte ich mich mit der leeren Fassade einer Beziehung zufriedengeben in der Zeit, die uns bleibt? Ich will das Gold, nicht die Vergoldung. Und ich werde das, was wir zusammen haben können, nicht entwerten so wie du. Bevor du in deine Welt zurückkehrst, werden wir mehr als nur das Bett miteinander teilen.”
Bethany lehnte sich zurück und maß seine hohe Gestalt, die in vollendeter Haltung im gleißenden Sonnenlicht vor ihr stand, mit ihren Blicken. “Vor zehn Tagen konnte dich nichts, – egal, was ich sagte oder tat –, von mir fernhalten.”
“Vor zehn Tagen, ja noch vor einer Woche war ich töricht genug, zu glauben, deine Haltung mir gegenüber würde weicher, sanfter, nachgiebiger werden. Aber als ich dich an deinem Krankenbett besuchte, begriff ich meinen Irrtum.”
“Langweile ich dich?”
“Du bist viel zu intelligent, um jemanden zu langweilen. Aber du sprichst ausschließlich über allgemeine Themen, vermeidest jedes persönliche Gespräch. Du behandelst mich weder wie einen Liebhaber noch wie einen Ehemann. Du versagst mir jegliche Intimität … außer wenn du mich ansiehst. Aber wenn ich Englisch lernen musste, um mit dir zu kommunizieren, musst auch du die Sprache lernen, die ich zu hören wünsche.”
“Du willst wirklich alles haben, nicht wahr?”
“Hast du je daran gezweifelt?”
“Also gut, was willst du wissen?”, meinte sie spöttisch. “Ich hab’ schließlich nichts zu verbergen.”
“Ich muss schon sagen,
aziza”,
gab er belustigt zurück, “bist du so verrückt nach mir, dass du mir gleich ein solches Angebot machst?”
Aufgebracht fuhr Bethany empor, bemerkte dann jedoch Razuls unwiderstehliches Lächeln und kam sich albern vor. “Du hast es wirklich drauf, mich auf die Palme zu bringen.”
“Ich hätte der Versuchung widerstehen sollen, aber du nimmst dich selbst so furchtbar ernst. Du hast mich so vieler lächerlicher Dinge beschuldigt. Heute lache ich über die zweihundert Konkubinen, meine andere Ehefrau oder darüber, dass du mich für potentiell gewalttätig gehalten hast”, zählte Razul auf. “Wenn ich nicht darüber lachen könnte, hätte ich große Probleme.”
Bethany schluckte peinlich berührt. “Es tut mir leid, aber … Nun ja, es gibt eine gewisse Rechtfertigung für mein Misstrauen. Meine Tante war mit einem Araber verheiratet, und das ist eine ziemlich traumatische Erfahrung gewesen. Aber ich bin sicher, dass du auch das weißt, da du mich ja hast ausspionieren lassen?”
Er hatte die feinen, geraden Augenbrauen zusammengezogen. “Nein, das habe ich nicht gewusst. Meine Nachforschungen haben sich nur auf das vergangene Jahr bezogen, mehr nicht”, sagte er leise. “Ich hatte auch das Gefühl, dass ich mich in deine Privatsphäre hineindränge und wollte lediglich herausfinden, ob du frei bist von jeder Beziehung mit einem anderen Mann.”
“Oh.”
“Was war mit deiner Tante?”, hakte Razul nach, während sie gemeinsam unter den Bäumen auf der Steinterrasse entlanggingen.
Susan war nur sieben Jahre älter als Bethany und früher häufig zu ihrer älteren Schwester zu Besuch gekommen. Mit neunzehn, während ihres Studiums, hatte Susan auf einer Party einen iranischen Ingenieur kennengelernt. Faisal war äußerst charmant und scheinbar ebenso verliebt gewesen wie Susan, und ihre leidenschaftliche Romanze hatte zu einer schnellen Hochzeit geführt.
“Es war eine Katastrophe, von Anfang an”, erzählte Bethany mit großem Nachdruck. “Von dem Augenblick an, in dem sie verheiratet waren, hat er sich schlagartig geändert. Er hat sie wie eine Gefangene behandelt, hatte was gegen ihre Kleidung, ihr Make-up, ihre Freunde … Er warf ihr vor, mit anderen Männern zu flirten und versuchte, sie von ihrem Studium abzubringen. Es missfiel ihm sogar, wenn sie ihre eigene Familie besuchte. Schließlich fing er an, sie zu prügeln, und sie hatte schreckliche Angst vor ihm. Irgendwann musste sie zur Polizei gehen.”
“Und das soll der Beweis für eine kulturelle Kluft sein? Solche Männer gibt es doch in jeder Kultur”, erklärte Razul ruhig. “Er war ein kranker und
Weitere Kostenlose Bücher