Der Wuestenplanet - Paul Atreides
kosmische Choreograf eingegriffen hätte, der auch Irulans Leben in völlig andere Bahnen gelenkt hatte. Sie erkannte deutlich, dass ihr Vater keinesfalls schuldlos an den Ereignissen dieses Epos war. Shaddam hatte während des Assassinenkriegs zahlreiche Ungehörigkeiten zugelassen, die den Häusern Atreides und Ecaz viel Schmerz und Schaden zugefügt hatten. Später hatte er sich auf ein politisches Intrigenspiel mit den Harkonnens eingelassen, an der Vorbereitung der Falle auf Arrakis mitgewirkt und die Augen vor den Plänen des Barons verschlossen, weil dieser ihm eine höhere Gewürzausbeute versprochen hatte. Shaddam IV. war zu einem großen Teil selbst für die Katastrophe verantwortlich, der er zum Opfer gefallen war.
Und nun betrachteten ihre Schwestern sie als Verräterin, und ihr Vater hatte nur noch Verachtung für sie übrig? Ich habe den Verrat nicht begangen, dachte sie. Nach allem, was der Padischah-Imperator dem Haus Atreides angetan hatte, gab es für Paul mehr als genügend Gründe, das Haus Corrino – und auch Irulan – zu hassen.
Ihr persönliches Tagebuch war für sie zu einer Busenfreundin geworden, mit der sie ungezählte einsame Nächte verbrachte, in denen sie den hauchdünnen Blättern aus Gewürzpapier ihre geheimsten Gedanken anvertraute. Und wie eine gute Freundin verhalf das Tagebuch ihr zu neuen Einsichten, wenn sie ihre eigenen Worte erneut las und sie aus größerem Abstand betrachtete. Anhand dieser Seiten erkannte sie nach und nach ihre Schwächen.
Sie ordnete die Kissen in ihrem Rücken und hob das Tagebuch vom Boden auf. Dann blickte sie auf die Worte, die sie am heutigen Tag geschrieben hatte. Ihr tat das Herz weh, wenn sie sich den Schock vorstellte, den der junge Paul erlitten haben musste, nachdem er Zeuge des Hochzeitsmassakers auf Burg Caladan geworden und den folgenden Mordanschlägen gegen ihn entkommen war. Schon in jungen Jahren war er ein Bauer, eine politische Schachfigur gewesen. Und nun war er der Imperator des Bekannten Universums.
Mit einem schicksalsergebenen Seufzer machte sich die Prinzessin daran, weiter in ihrem Tagebuch zu schreiben. Es sprach zu ihr, es drängte sie dazu, die Geschichte fortzusetzen.
VIERTER TEIL
Der junge Paul Atreides
10.187 N. G.
Jene, die den Zorn Muad'dibs in den Kämpfern seines Djihads gesehen haben, sagen, dass er durch seinen Aufenthalt bei den Fremen so blutdürstig wurde. Doch der Kurs für das Leben des Lisan-al-Gaib wurde schon lange zuvor festgelegt.
Man kann den Mann Muad'dib nicht betrachten und dabei den Jungen Paul Atreides übersehen, mit all den Ereignissen und Erfahrungen, die ihn hervorgebracht haben. Er war ein Mensch, der von Verrat und Tragödien geformt wurde. Als junger Mann im Alter von zwölf Jahren wurde er in einen Assassinenkrieg hineingezogen, der mehr als drei Adelshäuser umfasste und das Imperium selbst zu enthaupten drohte. Obwohl Paul jahrelang dazu ausgebildet worden war, sich den Gefahren zu stellen, die Teil des Werdegangs jedes Herzogssohns sind, wurden diese Lektionen erst mit dem Angriff des Grafen Moritani von Grumman schlagartig zur Realität. Plötzlich wurde Paul selbst zur Zielscheibe, von Assassinen gejagt, in einen Strudel aus Blut hineingezogen.
Noch viel größere Wirkung hatten diese Ereignisse jedoch auf seinen Vater, Herzog Leto Atreides, der nicht gebrochen, sondern gehärtet wurde ... geschmiedet und nicht zerstört. Herzog Leto – der Rote Herzog, Leto der Gerechte – hatte mehrfach mit Intrigen und Verrat zu kämpfen, in Angelegenheiten, an denen mein Vater, der Padischah-Imperator Shaddam IV., nicht unschuldig war.
Im Laufe dieser entscheidenden Ereignisse beobachtete der junge Paul seinen Vater, wie er sich mit einer Unerbittlichkeit vorbereitete und zurückschlug, die manche als rücksichtslos bezeichnen würden. Doch die Lektion, die er daraus letztlich lernte, war, dass Herzog Leto Atreides trotz seiner Vergeltungsschläge schließlich scheiterte, weil er nicht rücksichtslos genug war.
Der Mann Muad'dib, von Prinzessin Irulan
45
Graf, oh Graf, was hast du entfesselt? Was hast du getan?
Gurney Halleck, Die Tragödie des Hauses Ecaz
Inmitten von Chaos und Gemetzel scheuchte Herzog Leto zahlreiche Hochzeitsgäste aus der großen Halle und ließ sie von Soldaten in die Sicherheit ihrer am Raumhafen wartenden Fregatten eskortieren, obwohl er den Schiffen keine Starterlaubnis gab. Andere Gäste verbarrikadierten sich in Zimmern
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