Der wundersame Fall des Uhrwerkmanns: Roman (German Edition)
hat sie verwendet, um Komtesse Sabinas Fähigkeiten zu verbessern.«
Palmerston starrte den zierlichen Dichter verständnislos an. »Was?«
»Ich will damit nur sagen, dass wir vielleicht die Oberhand erringen können, wenn wir sicherstellen, dass sich alle drei Nāga-Augen in unserem Besitz befinden. Wir könnten begabte Medien anwerben und die Steine benutzen, um ihre Kräfte zu verstärken. So könnten wir die Strategie des Feindes in Erfahrung bringen. Wirkönnten die Gedanken unserer Gegner beeinflussen. Wir könnten einen Krieg der Infiltrierung und Verzauberung führen. Wir könnten sofort damit anfangen, und unsere Feinde würden gar nicht merken, dass bereits Krieg gegen sie geführt wird.«
Palmerstons Mund klappte auf.
Burton meinte dazu: »Ich habe Ihnen ja gesagt, dass es sich durchaus lohnen kann, ihm zuzuhören.«
Der Premierminister blinzelte mehrmals, presste den Atem zwischen den Zähnen hervor und zog eine Schnupftabakdose aus der Tasche. Er durchlief sein übliches Ritual, das wie immer mit einem gewaltigen Niesen endete. Danach betrachtete er den Dichter mit einem geraden Auge, während das andere beunruhigend nach oben glotzte.
»Mr Swinburne«, ergriff er das Wort, »Sie sind ein verdammtes Genie.« Er wandte sich an Burton: »Der afrikanische Stein?«
»Es könnte schwierig werden, in seinen Besitz zu gelangen«, warnte der Entdecker. »Abgesehen von den Hürden, die Afrika selbst zu bieten hat, wissen wir, dass nichts über der Region fliegen kann, in der sich der Diamant zweifellos befindet. Das weist für mich darauf hin, dass irgendeine Kraft am Werk ist, die Maschinen ähnlich manipuliert, wie Rasputin in der Lage war, Ladehemmung bei Schusswaffen zu verursachen.«
»Also bewacht jemand das Auge?«
»Jemand oder etwas, ja. Und da ist noch ein Problem.«
»Was?«
»Ich halte es für höchstwahrscheinlich, dass Lieutenant John Speke gerade eine preußische Expedition in die Region vorbereitet.«
*
Mit dem Zylinder in keckem Winkel auf dem Kopf und schwingendem Spazierstock schlenderte Sir Richard Francis Burton die Gloucester Place entlang.
Ein Volkswagenkäfer wuselte an ihm vorbei und rülpste eine Ladung Dampf aus. Ein kleiner Junge, der auf der Rückbank des Fahrzeugs saß, sah Burton an und streckte ihm die Zunge heraus. Der Agent des Königs warf dem Bengel einen finsteren Blick zu und knurrte, dann verdrehte er die Augen, blähte die Wangen auf und prustete. Der Junge lachte vergnügt und winkte.
Ein Pferd scheute vor dem dampfbetriebenen Insekt und brachte dadurch einen Gemüsestand zum Umkippen. Zwiebeln und Kartoffeln ergossen sich auf die Straße und kullerten über das Kopfsteinpflaster. Dem Käfer folgten Gebrüll und Flüche, als er um eine Ecke verschwand und außer Sicht krabbelte.
»Wie geht’s, mein Hübscher«, gurrte eine Bordsteinschwalbe aus einem Hauseingang. »Lust auf ein bisschen Du-weißt-schon-was?«
Zwinkernd warf ihr Burton eine Zwei-Pence-Münze zu, ging jedoch weiter.
Weiter vorn verursachte ein Dampfross klirrenden Radau, scherte nach rechts aus und krachte in die Fassade eines Wirtshauses. Ein älterer Mann kam aus der Kabine hinter dem Antrieb und brüllte: »Herrgott noch mal, Mann! Sie haben mich grün und blau gerüttelt!«
»Is’ die verflixte Hinterachse, Meister!«, erklärte der Fahrer. »Is’ die Woche schon ’s dritte Mal gebrochen!«
Burton bog in die Montagu Place.
»Hallöchen, Captain! Wie geht’s, wie steht’s?«, ertönte ein Ruf.
»Es geht und steht bestens, Mr Grub, danke der Nachfrage. Wie läuft das Geschäft?«
»Schrecklich!«
»Die Kastanienzeit bricht ja bald an. Ich bin sicher, dann wird es besser.«
»Vielleicht, Captain, vielleicht. Sin’ Sie wieder bei Ihro Gnaden gewesen?«
»Beim Premierminister? Ja, ich wurde gerufen.«
»Tja, ich hoff’, Sie haben ihm gesagt, dass es kein Zuckerschlecken is’, das Los des einfachen Mannes.«
»Das erwähne ich immer, Mr Grub.«
»Und er macht gar nix dagegen! Verdammte Politiker!«
»Ein ganz eigener Menschenschlag«, merkte Burton an.
»Da haben Sie wohl recht, Captain.«
Sie verstummten, als ein Rotorschiff geräuschvoll über sie hinwegflog. Mr Grub schirmte die Augen ab und schaute zu dem riesigen Gefährt empor. »Was steht da unten drauf?«, brüllte er.
Burton, der wusste, dass der Straßenverkäufer nicht lesen konnte, sagte: »Ist ziemlich schwierig zu erkennen, nicht wahr? Ich glaube, es heißt: ›Beginnen Sie ein neues Leben in Indien.
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