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Der wundersame Fall des Uhrwerkmanns: Roman (German Edition)

Der wundersame Fall des Uhrwerkmanns: Roman (German Edition)

Titel: Der wundersame Fall des Uhrwerkmanns: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Hodder
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über hatte London an ein türkisches Bad erinnert, eingehüllt in einen heißen weißen Dunst, der gänzlich anders als der übliche »Londoner« Nebel war.
    Nicht nur das ungewöhnlich warme Wetter hatte das Problem verursacht, sondern auch die rasende Kreativität, von der die Technokraten erfasst worden waren. Die Eugeniker hatten das Verfahren zur Züchtung von Rieseninsekten vereinfacht undperfektioniert, und die Ingenieure experimentierten mit einer Spezies nach der anderen. Im Mai gab Isambard Kingdom Brunel bekannt, dass er noch am Leben sei, sehr zur Freude und zur Verblüffung der britischen Öffentlichkeit. Mit seiner glockenartigen Stimme verkündete er: »Obwohl ich weiterhin in diesem lebenserhaltenden Apparat gefangen bin, habe ich beschlossen, meine Abschottung zu beenden, um mich einer Reihe technischer Projekte zu widmen. Dank der Arbeit meiner Eugeniker-Kollegen ist eine völlig neue Transportmethode möglich geworden, und ich kann zuversichtlich vorhersagen: Das Rad wird schon bald der Vergangenheit angehören!«
    Bereits im Juli war die Anzahl dampfbetriebener Insekten auf den Straßen der Hauptstadt dermaßen dramatisch gestiegen, dass kaum jemand Brunels Behauptung widersprechen konnte. In der Stadt wimmelte es buchstäblich von krabbelnden, kriechenden, hopsenden und schwirrenden Fahrzeugen – und genau wie Detective Inspector Trounce befürchtet hatte, war blankes Chaos die Folge.
    Zwischen all dem zog sich die Tichborne-Affäre hin, und obwohl in der Hauptstadt eine Krise gigantischen Ausmaßes herrschte und sich das Land im Krieg befand, schaffte es die Angelegenheit wöchentlich in die Schlagzeilen.
    Burton hatte vorerst Stillschweigen über die Chorsteine von François Garnier bewahrt und nicht einmal Detective Inspector Trounce davon erzählt, dass sie im Kopf des Anspruchstellers steckten. Er hielt es für besser, zuerst herauszufinden, warum sie sich dort befanden, anstatt die schwerfällige Kreatur verhaften zu lassen und nie zu erfahren, was seine Gegner im Schilde führten. Also blieb der Agent des Königs auf Abstand und beobachtete, wie Dr Edward Kenealy einen Gerichtsprozess anstrengte, um Sir Rogers Besitz zurückzuerlangen.
    Mitte März traf in der Montagu Place 14 eine Mitteilung von Herbert Spencer ein, der sich immer noch im Untergeschoss des Tichborne-Hauses aufhielt. Sie wurde von einem kleinen blaugelben Sittich überbracht, der auf dem Fenstersims des Arbeitszimmers landete und mit dem Schnabel gegen die Glasscheibe tippte.
    Burton schob den Schieberahmen des Fensters hoch und rief: »Heiliges Kanonenrohr! Ist das etwa Pox?«
    »Halt die Klappe!«, lautete die gekrächzte Antwort, gefolgt von: »Nachricht vom wunderschönen und glorreichen Herbert Spencer. Der Anspruchsteller, Kenealy, Jankyn, Bogle und der debile Colonel Lushington halten wöchentlich Séancen im verdammten Billardzimmer ab. Sie beschwören den Geist von Lady Mabella. Es ist mir noch nicht gelungen, ihre Unterhaltungen mit ihr zu belauschen. Ende der bescheuerten Nachricht.«
    »Na so was. Ich frage mich, was sie vorhaben«, murmelte Burton. »Und warum spielt Lushington mit?«
    »Stinkender, verquerer Penner!«, antwortete POX JR5.
    »Nachricht an Herbert Spencer«, sagte Burton. »Verschwinden Sie von dort. Bringen Sie die Schwäne nach Hause. Ende der Nachricht.«
    Pox hatte einen Pfiff ausgestoßen und war davongeflogen.
    Anfang des Sommers war der Tichborne-Fall zu einer solchen Cause célèbre geworden, dass man die rechtlichen Vorgänge beschleunigte, um ihn so rasch wie möglich vor Gericht zu bringen. Natürlich verkörperte der Anspruchsteller den Kläger, doch in Wirklichkeit betrachteten ihn die wenigsten Menschen als solchen – er würde erst beweisen müssen, dass er derjenige war, für den er sich ausgab.
    Der Prozess wurde im Mai eröffnet. Kenealy begann, indem er Sir Roger Tichbornes Jugend beleuchtete, die, wie er behauptete, durch und durch unglücklich verlaufen war. James Tichborne, so führte er an, sei ein Alkoholiker und gewalttätiger Vater gewesen, während die herrschsüchtige Mutter des Jungen äußerst erstickend in ihrer Liebe gewesen sei. Roger sei dadurch in die Gesellschaft von Spielern und Gestrauchelten gedrängt worden, was seine adelige Herkunft absorbiert habe. Weiter geschwächt sei sie durch die entsetzliche Tortur geworden, die er während derzahlreichen Tage erlitten habe, während der er nach dem Untergang der La Bella in einem Rettungsboot über das Meer

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