Der wundersame Fall des Uhrwerkmanns: Roman (German Edition)

innehabe, tue ich, was ich für das Beste halte, ob es der Wählerschaft passt oder nicht.«
    Burton schüttelte erstaunt den Kopf. »Politiker sind wahrlich eine eigene Spezies.«
    Palmerston zog eine silberne Schnupftabakdose aus der Westentasche und öffnete den Deckel mit einem Klicken. Er platzierte eine Prise auf dem rechten Handrücken, hob selbigen an die Nase und schnupfte.
    »Stanleys acht Rotorstühle sind aufgetaucht.«
    Burton blinzelte über den unverhofften Themenwechsel und setzte sich aufrechter hin.
    »Wo?«
    »Sie wurden in der Nähe des Dorfes Ntobe gefunden, südwestlich von Spekes Albertsee …«
    »Ukerewe Nyanza«, berichtigte ihn Burton.
    »Nennen Sie den Tümpel, wie Sie wollen. Jedenfalls hat ein arabischer Händler sie entdeckt. Er … entschuldigen Sie …« Palmerston drehte den Kopf weg und nieste gewaltig. Mit dem linken Auge sah er Burton wieder an. Das rechte war verrutscht und starrte an die Decke. »Er hat Christopher Rigby in Kenntnis darüber gesetzt, den Konsul in Sansibar.«
    »Und was ist mit Stanley?«
    »Von dem fehlt jede Spur. Haben Sie schon die Zeitungen derletzten Wochen gelesen, die Ihnen während Ihrer Abwesenheit entgangen sind?«
    »Nein. Ich bin erst gestern zurückgekommen. Das Einzige, was ich nachgeholt habe, war entgangener Schlaf.«
    »Die Times , die Globe und die Empire rufen zu einer weiteren Expedition auf. Einer Rettungsmission. Alle stimmen darin überein, dass nur ein Mann qualifiziert dafür sei, sie anzuführen.«
    »Wer?«
    »Sir Richard Francis Burton.«
    Burtons Kiefermuskeln verkrampften sich. Er räusperte sich und sagte: »Dann fange ich an, Vorkehrungen zu …«
    »Können Sie nicht. Sie sind beschäftigt.«
    »Aber bestimmt kann ich …«
    »Ich verbiete es. Sie unterstehen dem König. Ihre Dienste werden hier benötigt. Ich habe mit Sir Roderick Murchison gesprochen, und auf seine Empfehlung hin wird die Regierung die Expedition von Baker und Petherick finanziell unterstützen.«
    Burton setzte eine wütende Miene auf und schwieg.
    »Nebenbei bemerkt«, fuhr Palmerston fort und schenkte dem Gesichtsausdruck des Entdeckers keinerlei Beachtung, »weil wir gerade von Rotorstühlen reden, Seine Majestät hat befohlen, dass Ihnen ein zweiter zu liefern ist. Der ist für Mr Swinburne. Unser Monarch war außerordentlich beeindruckt vom Beitrag des jungen Dichters zur Lösung des Rätsels um Spring Heeled Jack.«
    »Danke.«
    »Sie erhalten ihn irgendwann diese Woche.«
    Der Politiker griff in eine Schublade des Schreibtischs und holte einen Stapel Dokumente daraus hervor. Leicht verlegen klemmte er sich einen Kneifer auf den Nasenrücken. Hinter den rauchig-blauen Linsen rutschte das rechte Auge zurück in seine normale Position. Der Premierminister blickte auf die Schriftstücke hinab.
    »Ihre grauenhafte Handschrift scheint erheblich besser geworden zu sein«, stellte er fest. »Ich kann diese Berichte tatsächlich lesen.«
    »Ich habe einen Autoskribenten benutzt. Eine Art Maschine, die die Buchstaben anstelle des Verfassers zu Papier bringt.«
    »Wirklich? Ich wusste gar nicht, dass es so etwas gibt. Nun, Sie sind diesen Sommer recht umtriebig gewesen, nicht wahr? Diese Berichte sind bemerkenswert. Der Fall des Vampirs der Tottenham Court Road. Die springenden Männer. Das Geheimnis der mildtätigen Schwestern. Das Problem des höflichen Sittichs . Sie sind Ihr Geld wahrlich wert, wenngleich ich Ihren Hang dazu verwünsche, Ihre Berichte mit dermaßen reißerischen Titeln zu versehen. Das sind Regierungsakten, Sir, keine Groschenromane. Davon abgesehen bin ich sehr zufrieden.«
    Er spähte über den oberen Rand seines Kneifers hinweg.
    »Aber was ist mit der Tichborne-Angelegenheit? Warum lese ich immer noch in den Morgenzeitungen davon? Warum haben Sie die vergangenen drei Wochen im Ausland verbracht?«
    Burton zog eine Zigarre aus seiner Jackentasche. »Stört es Sie, wenn ich rauche, Sir?«
    »Ja, tut es.«
    Sehnsüchtig betrachtete der Agent des Königs die Zigarre aus Manila, während er über den Tichborne-Fall nachdachte. Seit April hatten sich Swinburne und er bemüht, Kenealy und den Anspruchsteller im Auge zu behalten, obwohl sie nebenher an anderen Aufträgen gearbeitet hatten. Nun, gegen Ende September, schien sich der Nebel rund um den merkwürdigen verlorenen Sohn und seine noch viel seltsamere Sippschaft erstmalig zu lichten.
    Nebel! Bei Gott! Den Tichborne-Fall würde er ewig mit Nebel in Verbindung bringen. Das gesamte Jahr