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Der wundersame Fall des Uhrwerkmanns: Roman (German Edition)

Der wundersame Fall des Uhrwerkmanns: Roman (German Edition)

Titel: Der wundersame Fall des Uhrwerkmanns: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Hodder
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getrieben war.
    »Zweifellos«, so sagte Kenealy, »hat es das Gehirn des jungen Mannes beeinträchtigt, dass er so lange der unbarmherzigen Sonne ausgesetzt war.«
    Nach seiner Rettung war Roger Tichborne in Melbourne gelandet und ziellos durch New South Wales gewandert, bis er sich schließlich in einer kleinen Ortschaft namens Wagga Wagga niederließ. Dort lebte er als Tomas Castro, ein Name, den er von einem Mann entlieh, den er in Südamerika kennengelernt hatte, und er arbeitete als bescheidener Fleischer, bis er eines Tages eine Zeitung aufschlug und Lady Henriette-Felicités Gesuch um Informationen sah.
    Nach dem Verlesen der eidesstattlichen Versicherungen wurden dem Gericht die Zeugen des Anspruchstellers vorgeführt: Anthony Wright Biddulph, einen von Sir Rogers entfernten Vettern, der eine unzusammenhängende Unterstützungserklärung herunterleierte; Lord Rivers, einen Aufrührer und Aristokraten, der sich weigerte preiszugeben, warum er Geld für den Anspruchsteller bereitstellte; und Guildford Onslow, einen liberalen Abgeordneten, der ganz offensichtlich eigene Ziele verfolgte. Der größte Tumult brach jedoch aus, als sich Colonel Lushington zu einem überzeugten Befürworter von »Sir Roger« erklärte, obwohl er es war, gegen den der gesamte Prozess geführt wurde.
    Als Nächstes traten mehrere Männer vor, die mit Tichborne gedient hatten, ferner Bewohner des tichbornschen Anwesens, Bedienstete, ein Schneider, Sir Edward Doughtys ehemaliger Kutscher und, zumindest für Burton nicht überraschend, Doktor Jankyn.
    Als Letzterer den Zeugenstand betrat, merkte er an, dass Roger Tichborne während seiner Zeit in der Armee am linken Arm von einem Soldatenkameraden tätowiert worden war. Der Anspruchsteller wurde aufgefordert, seine Jacke auszuziehen und denHemdsärmel hochzurollen. Er tat, wie ihm geheißen. Sein linker Unterarm erwies sich im Gegensatz zum anderen als weiß und zierlich. Auf der Innenfläche prangte eine Tätowierung in Form eines mit einem Anker überlagerten Herzens. Etwa zehn Zentimeter darüber verlief rings um den Arm eine grobe Naht. Das Fleisch auf der anderen Seite davon war dunkler, rau und füllig.
    Mitte Juni nahm Edward Kenealy Platz, Henry Hawkins erhob sich, und das Kreuzverhör begann. Swinburne, der mit Burton auf der Galerie saß, äußerste die Beobachtung, dass Sir Roger noch fetter geworden zu sein schien.
    »Sir Roger?«, fragte Burton.
    Swinburne massierte sich die Schläfen, zuckte zusammen und murmelte: »Warum sage ich das andauernd? Der Anspruchsteller, meinte ich natürlich.«
    Der Gerichtsdiener sagte: »Bitte, nennen Sie Ihren Namen.«
    »Sir Roger … Charles … Doughty Tichborne«, lautete die stockende Erwiderung.
    Hawkins stellte die Bildung des Anspruchsstellers auf die Probe, ferner dessen Wissen um die Familie Tichborne und die Geschichte von Roger Tichborne. Für jeden Anwesenden mit einem Mindestmaß an Intelligenz fielen die Antworten völlig unbefriedigend aus, dennoch wichen die Ansichten über den Auftritt des Anspruchstellers aus unerfindlichen Gründen extrem voneinander ab.
    Ein Journalist schrieb:

    In den fünfzehn Jahren, die ich schon über Gerichtsdramen berichte, habe ich noch nie einen dermaßen wirren Auftritt wie den des Tichborne-Anspruchstellers erlebt. Wie irgendjemand bezweifeln kann, dass er etwas anderes als ein dreister Hochstapler ist, übersteigt den Verstand des Verfassers.
    Ein anderer konterte wie folgt:

    Was für eine Schande! Was für eine Schande! Dass ein Mann nach Hause zurückkehrt und gezwungen wird, an einem derart erbärmlichen Theater mitzuwirken! Welcher üblen Intrige ist Sir Roger Tichborne zum Opfer gefallen? Denn niemand, der ihn gesehen hat, kann bezweifeln, dass er jemand anderer als die Person ist, die er angibt, zu sein.
    *
    Das Verhör setzte sich bis in den Juli hinein fort. Während dieser heißen feuchten Wochen schwoll der Anspruchsteller sichtlich an und wurde derart feist, dass der Zeugenstand umgebaut werden musste, um ausreichend Platz für ihn zu bieten. Sein Zahnfleisch blutete ohne Unterlass, und als ihm darüber hinaus auch noch drei schwarze Zähne ausfielen, wurde es so schwierig ihn zu verstehen, dass zu seiner Linken ein Verstärkungsschirm aufgestellt wurde.
    Hawkins hingegen gab sich laut, gebildet und verheerend effektiv. »Diese Person, die sich Ihnen gegenüber als verschollener Aristokrat ausgibt«, verkündete er den Geschworenen, »ist nichts weiter als ein Verschwörer, ein

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