Der wundersame Fall des Uhrwerkmanns: Roman (German Edition)
erhobenem Messer vorbeisauste und seine Verteidigung durchdrang, bevor er die Kontrolle zurückerlangen konnte.
Der berühmte Entdecker grunzte, als die Spitze des gegnerischen Floretts gegen seine rechte Schulter stieß.
»Grandios!«, rief er begeistert. »Und jetzt noch einmal. Ich will untersuchen, wie du das Gleichgewicht veränderst, wenn du den Takt wechselst. En garde! «
Und der Wettstreit begann von vorn.
Burton keuchte und schnaufte vor Anstrengung, als seine Klinge den Hieben des Uhrwerkmanns begegnete und diese parierte. Er bewegte sich rücklings über den Kaminvorleger, wich einem Patinando aus und versuchte im Gegenzug, die Waffe seines Gegners zur Seite zu drücken. Sein Kammerdiener reagierte, indem er das Florett von einer hohen Führungslinie auf eine niedrige herabsenkte, herumwirbelte und einen Satz nach vorn vollführte. Burton konterte, aber Admiral Nelsons Manöver war eine Finte gewesen; der Messingmann brach erneut aus dem Takt aus, tänzelte erst zur Seite und dann nach vorn. Wieder schnellte seine Attaque composé an der gegnerischen Klinge vorbei, und die Spitze seines Floretts stieß gegen Burtons Brustbein.
»Bismillah, was bist du doch gut! Noch mal! Noch mal! En garde! «
Ihre Florette klirrten gegeneinander.
Ein Klopfen ertönte an der Tür.
»Jetzt nicht!«
»Sie haben Besuch, Sir Richard.«
»Ich will nicht gestört werden, Mrs Angell!«
»Es ist Detective Inspector Honesty.«
Burton seufzte. »Genug«, befahl er.
Admiral Lord Nelson senkte seine Waffe. Burton tat es ihm gleich und zog sich die Maske vom Gesicht.
»Na schön«, rief er etwas genervt. »Schicken Sie ihn herauf.«
Er nahm seinem Kammerdiener das Florett ab und legte es zusammen mit seinem eigenen in einen Koffer, der auf einem der Schreibtische lag.
»Wir machen später weiter, Nelson.«
Der Uhrwerkmann salutierte, durchquerte den Raum und nahm neben der Kommode zwischen den zwei Fenstern Haltung an.
Kurze Zeit später klopfte es kurz an der Tür.
»Herein!«
Die Tür öffnete sich, und Detective Inspector Honesty trat ein. Auf seiner Stirn prangten Schweißperlen.
»Hallo! Es ist einfach zu heiß. Ein höllisches Wetter.«
»Kommen Sie rein, alter Freund. Ziehen Sie die verdammte Jacke aus, wenn Sie nicht gekocht werden wollen.«
Der Mann von Scotland Yard entledigte sich seines Obergewands, hängte es auf einen Haken hinter der Tür, rollte die Hemdsärmel hoch und ließ sich auf einem Stuhl nieder. Neugierig sah er sich im Arbeitszimmer um. Sein Blick wanderte über die an den Wänden hängenden Schwerter, die schwer beladenen Bücherregale, die Teakholzschränke, die in den Mauernischen beiderseits des Kaminsimses ausgestellten Pistolen, den riesigen afrikanischen Speer in einer Ecke, die drei großen Schreibtische und die zahlreichen Andenken von Burtons Reisen.
Detective Inspector Honesty besaß einen schmalen Körperbau und kleidete sich ziemlich eigen, aber er strahlte eine drahtige Stärke aus, und Burton wusste, dass er im Kampf Mann gegenMann ein beeindruckender Gegner war. Sein brauner, außergewöhnlich breiter und gewachster Schnurrbart kräuselte sich an den Enden nach oben. Das pomadige Haar trug er in der Mitte gescheitelt. Im rechten seiner grauen Augen klemmte ein Monokel.
»Seit gestern zurück?«, fragte er auf die für ihn typische knappe Weise.
»Vorgestern«, erwiderte Burton. »Den Großteil des gestrigen Tages habe ich damit zugebracht, dem Premierminister Bericht zu erstatten.«
»In Südamerika Glück gehabt?«
»Ja, ich weiß jetzt, wo Tomas Castro ist.«
»Meine Güte, wirklich?«, rief Honesty und setzte sich aufrechter hin. »Wo?«
»Im Bethlem Royal Hospital.«
»Im Tollhaus? In der Irrenanstalt? Hier in London?«
»Ja.«
Burton ergriff eine Zigarre aus einem Kästchen auf dem Kaminsims, hielt ein Streichholz daran und nahm dem Ermittler gegenüber Platz. Er nickte zur Erlaubnis, als Honesty eine Pfeife aus seiner Westentasche zog. Während der Polizist routiniert den Kopf auskratzte und mit Tabak stopfte, lieferte ihm der Agent des Königs eine Erklärung.
»Ich hatte die vergangenen Wochen eine recht aufregende Zeit. Mit den Einzelheiten will ich Sie nicht langweilen. Belassen wir es dabei, zu sagen, dass ich in ein Abenteuer verstrickt wurde, das mich von Buenos Aires quer durch Argentinien bis nach Chile geführt hat. Dort konnte ich die Familie Castro in Melipilla aufspüren, einer Ortschaft an der Hauptstraße zwischen Valparaiso und Santiago.
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