Der Wunsch des Re
Amunhotep spöttisch. »Als ich ihm aber von meiner Zuneigung zu ihr erzählt habe, war er froh, dass ich endlich meine große Liebe gefunden habe.«
Ramose seufzte leise und griff nach seinem Weinkelch. »Na, dann nochmals meine allerbesten Wünsche.« Er hob das Trinkgefäß an den Mund und nahm einen kräftigen Schluck.
Nun ist es zu spät!, durchzuckte es ihn. Niemals würde der Pharao zustimmen, diese Frau seinem Einzigen Freund wegzunehmen, um sie zu ihm in den Tempel des Re zu geben. Eigentlich konnte er sofort beidrehen und wieder nach Heliopolis zurücksegeln.
»Gibt es einen bestimmten Grund, weshalb du nach Theben fährst?«, erkundigte sich Amunhotep, so als hätte er die Gedanken des älteren Priesters erraten.
Ramose schwieg und stierte in seinen Wein. Einen Moment später erwachte er aus seiner Lethargie, räusperte sich und sah zu seinem Gastgeber.
»Ich habe dort einige Dinge zu erledigen. Ich will mich mit dem Wesir und deinem Vater treffen, und da Seine Majestät derzeit in Theben weilt, vielleicht auch mit ihm«, log er, denn er wollte und konnte dem Osiris-Hohepriester nicht den wahren Grund seiner Reise verraten.
Amunhotep griff ebenfalls nach seinem Wein und nippte an der kühlen roten Flüssigkeit. »Wie sieht das Leben im Norden aus?«, lenkte er das Gespräch in eine andere Richtung, da er merkte, dass Ramose nichts weiter über seine Reiseabsichten preiszugeben gedachte.
Der erste Re-Prophet zuckte mit den Schultern. »Auch nicht viel anders als hier im Süden, nur dass es nicht ganz so heiß und stickig ist. Du solltest mich vielleicht einmal zusammen mit deiner Gemahlin besuchen kommen. Wir könnten, wenn es meine Zeit erlaubt, ins Faijum fahren oder Enten im Dickicht des Deltas jagen.«
Jetzt war Amunhotep etwas verblüfft, denn er hätte nie gedacht, dass der beinahe sechzig Jahre alte Priester noch auf die Entenjagd gehen würde.
»Danke für die freundliche Einladung«, erwiderte er. »Vielleicht später einmal, denn auch meine Zeit und die meiner Gemahlin ist arg begrenzt. Zurzeit kommen wir überhaupt nicht aus Abydos fort. Ich reise alle vier Wochen nach Theben, um mich im Königstal um den Fortgang der Arbeiten an Pharaos Grab zu kümmern, aber auch hier gibt es genug Bauaktivitäten, die meiner Aufsicht bedürfen.« Bedauernd hob er die Hände. »Und von der sonstigen Arbeit, die auf den Schultern eines Hohepriesters lastet, brauche ich dir sicher nichts zu erzählen. Das kennst du selbst zur Genüge.«
Der Große Sehende bestätigte die Worte seines jüngeren Amtskollegen mit einem Nicken und war erfreut, dass dieser von sich aus die Sprache auf die Bauarbeiten in Abydos gebracht hatte.
»In der Tat. Ich habe schon bei meiner Ankunft den gewaltigen Tempelkomplex Seiner Majestät bewundern dürfen. Wirklich majestätisch und erhaben.« Anerkennend nickte er. »Wann wird er fertiggestellt sein?«
»Das ist schwer zu sagen. Ich hoffe aber, dass zu Pharaos viertem Thronjubiläum der Säulensaal fertiggestellt sein wird. In einem Monat werden bereits die beiden riesigen Granitstatuen geliefert, die den Zugang flankieren sollen, etwas später kommen die beiden anderen für den Vorhof hinzu.«
»Warum hat Ramses eigentlich die Bauarbeiten stoppen lassen, um sie wenig später wieder aufzunehmen?«, erkundigte sich Ramose und lugte aufmerksam zu seinem Gastgeber.
»Er wird seine Gründe dafür gehabt haben«, entgegnete Amunhotep einsilbig.
Mit dieser Antwort unzufrieden, kratzte sich Ramose an der Schläfe. »Was passiert eigentlich im hinteren Teil des Heiligtums?«
Fragend zog Amunhotep die rechte Augenbraue in die Höhe und musterte Ramose, der freundlich lächelnd seinen Blick erwiderte. »Ich weiß nicht, wovon du sprichst.«
»Ich denke schon. Es ist nicht unbemerkt geblieben, dass Ramses’ halbe Leibwache in Abydos weilt. Irgendetwas baut Seine Majestät im hinteren Teil, und niemand soll etwas davon erfahren.« Verschwörerisch schmunzelte Ramose. »Das einfache Volk glaubt an mysteriöse, geheimnisvolle Dinge, doch für jeden Priester ist klar, dass Ramses sich dort ein Scheingrab anlegen lässt, das aber nur dem Namen nach ein solches ist. Warum sonst sind die Arbeiter von der Stätte der Wahrheit dort beschäftigt ...« Er nahm seinen Kelch in die Hand und ließ den letzten Schluck des guten Oasenweins darin kreisen.
»Ich kann dir darauf keine Antwort geben, denn das unterliegt meiner Schweigepflicht, wie du dir sicher denken kannst. Wenn du eine Antwort
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