Der Wunsch des Re
befahl er, »und schicke einen Diener in mein Haus, der meinem Haushofmeister ausrichtet, dass er im Garten Gebäck und Wein sowie zwei bequeme Sessel bereithalten soll!«
Der Wab-Priester verneigte sich und verschwand, um den Auftrag auszuführen. Kurze Zeit später betrat der kleine, hagere Mann aus Heliopolis das Arbeitszimmer.
»Was verschafft mir die Ehre deines unverhofften Besuchs?« Amunhotep war aufgestanden und trat hinter seinem Arbeitstisch hervor auf Ramose zu.
»Ich bin auf dem Weg nach Theben«, erwiderte der Große Sehende. »Ich hoffe, ich komme nicht ungelegen?«
»Natürlich nicht. Für einen Amtskollegen sollte man immer Zeit aufbringen. Aber bitte, komm. Gehen wir hinüber in meinen Garten. Dort ist es etwas luftiger, und es steht eine Erfrischung für uns bereit.«
Ramose deutete eine Verneigung an und folgte dem Osiris-Hohepriester. Als er bemerkte, dass sich Amunhoteps Tempelanwesen außerhalb des Heiligtums befand, konnte er sein Erstaunen kaum verbergen.
Amunhotep entging das nicht. »Gefällt es dir?«
Ramose nickte. »Ich muss zugeben, so angenehm hat es wohl kaum ein zweiter Priester in Kemi.« Neidvoll glitt sein Blick über den weitläufig angelegten Garten, der es durch seine Größe und die vielen Schatten spendenden Bäume und Hecken schon fast mit einem kleinen Park aufnehmen konnte. »Nicht einmal dein Vater in Opet-sut lebt so luxuriös und angenehm.«
Verstohlen schmunzelte Amunhotep. »Glaube mir, Ramose, so übel ist es gar nicht im Tempel des Amun-Re – vor allem dann nicht, wenn man Angehöriger der oberen Priesterschaft ist.« Sie hatten den Pavillon erreicht. Mit einer Handbewegung forderte er seinen Gast auf, Platz zu nehmen. »Zudem nehme ich an, dass es sich auch im Tempel des Re gut leben lässt«, fügte er hinzu und ließ sich Ramose gegenüber nieder.
Der Re-Hohepriester sagte kein Wort, senkte nur höflich seinen Kopf.
Hekaib näherte sich den beiden Männern und erkundigte sich, ob alles zur Zufriedenheit seines Gebieters und dessen Gastes sei oder ob sie noch weitere Wünsche hätten.
»Nein, Hekaib«, antwortete Amunhotep. »Doch sage in der Küche Bescheid, dass ich heute Abend ein kleines Festmahl ausrichten werde, und lade die obere Priesterschaft dazu ein. Zudem richte meiner Gemahlin aus, dass wir heute Abend Gäste haben werden.«
Gehorsam verneigte sich Hekaib und zog sich in Richtung des Hauses zurück.
»Deiner Gemahlin?« Dem Großen Sehenden stand die Verwunderung ins Gesicht geschrieben. »Hast du dich vermählt?«
»Ja, Ramose, auch ich habe endlich die Frau fürs Leben gefunden.« Ganz gegen seine priesterliche Würde strahlte Amunhotep übers ganze Gesicht. »Wenn du übermorgen noch in Abydos weilst, würde ich mich freuen, dich zu einer Feier einladen zu dürfen, die meine wunderschöne, kluge Gemahlin und ich anlässlich unserer Heirat geben wollen.«
Bedauernd hob Ramose die Hände. »Es tut mir leid, doch bedanke ich mich für deine freundliche Einladung. Ich gedenke allerdings, schon morgen im Verlaufe des Tages weiterzureisen. Trotzdem wünsche ich dir und deiner Frau ein langes und unbeschwertes Glück sowie viele Kinder. Vor allem Söhne sollen es sein, denn Söhne sind es, die unser Weiterleben nach dem Tod garantieren.«
Amunhotep zuckte mit den Schultern. »Ich freue mich auch über Töchter. Hauptsache, meine Kinder sind gesund und wohlgeraten, dann werden sie, egal ob Junge oder Mädchen, mein Herz erfreuen.«
»Darf ich fragen, wer deine Gemahlin ist? Stammt sie aus Theben oder aus Abydos?«
»Weder noch. Sie ist eine Fremdländerin.«
»Eine Fremdländerin?« Der Hohepriester des Re hatte die Augenbrauen hochgezogen. Seine Stimme klang überrascht und ablehnend zugleich.
Amunhotep ignorierte es. »Und du kennst sie sogar.«
»Ach ja?« Ramose war verwirrt.
»Du hast sie auf dem Plateau von Giseh kennengelernt.«
Ramose fuhr ein Schreck durch die Glieder. Hatte Amunhotep es etwa gewagt, diese Frau zu ehelichen? Er setzte eine grübelnde Miene auf, als ob er nicht wüsste, von wem der Osiris-Priester sprach.
»Es ist die junge Frau, die Ramses in das Labyrinth des Re und in die Halle des Wissens mitgenommen hat«, half Amunhotep seinem Gedächtnis auf die Sprünge.
Der Große Sehende musste sein Erstaunen nicht heucheln. »Du hast die Frau mit dem heiligen Mal geheiratet? – Weiß Seine Majestät davon?«
»Das kann ich dir nicht sagen. Ich habe Ramses nicht um sein Einverständnis gefragt«, entgegnete
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