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Der Wunsch des Re

Der Wunsch des Re

Titel: Der Wunsch des Re Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Dietrich
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die Freundin und Vertraute der Gebieterin. Amunhotep hatte eingesehen, dass Rerut dafür nicht gerade geeignet war, und er hatte ihr gestattet, sich selbst eine Dienerin zu wählen. Schon am folgenden Tag hatte Meritusir Tia mit ins Haus gebracht, die sie in der tempeleigenen Weberei aufgespürt hatte.
    »Hast du dir schon überlegt, was du heute Abend tragen möchtest?«, fragte Tia, als Meritusir ins Schlafgemach getreten war.
    »Nein. Suche mir etwas Passendes heraus. Ich gehe mich in der Zwischenzeit baden.«
    Meritusir zog sich ihr Kleid aus und achtete nicht auf den verstörten Gesichtsausdruck ihrer Dienerin, die mit einer solchen Antwort wohl nicht gerechnet hatte. Dann schlüpfte sie aus ihren Sandalen und schlenderte in ihr privates Badehaus.
    Eine halbe Stunde später kam sie erfrischt zurück in ihr Schlafgemach. Ihre Laune hatte sich wieder gebessert, verschlechterte sich jedoch merklich, nachdem sie angekleidet war und sich im Spiegel betrachtet hatte.
    Tia hatte für sie ein enges Kleid herausgesucht, über das ein plissiertes zweites gezogen wurde, das wie ein Umhang ab Höhe der Taille offen war. Die Stoffe waren einer Königin würdig – edel gewebt, blütenrein weiß und hauchdünn. Dennoch ...!
    Da hätte ich ja auch gleich nackt gehen können!, dachte Meritusir verdrießlich und zog ein übellauniges Gesicht.
    Tia hatte ihr die Brustwarzen zuvor mit Henna rot gefärbt, sodass sie durch die dünnen Stofflagen durchschimmerten, aber auch so ließ das zarte Gewebe den Blick auf jedes ihrer Körperteile zu.
    »Gefällt es dir, Gebieterin?«, fragte die Dienerin zaghaft, die zu bemerken schien, dass ihre Herrin nicht gerade erfreut über die Wahl der Gewänder war.
    Meritusir zuckte mit den Schultern. »Wenn man es liebt, bekleidet nackt zu sein, dann ist es wohl schön.« Sie setzte sich wieder auf den Stuhl vor ihren Kosmetiktisch, damit Tia ihr Gesicht schminken konnte.
    Nachdem Tia damit fertig war, legte sie Meritusir einen breiten filigranen Halskragen mit einem Gegengewicht in Form eines Udjat-Auges um den Hals und streifte ihr goldene Arm- und Fußreife über. Zum Schluss setzte sie ihr eine zweistufige Perücke auf den Kopf, deren Haar bis auf Meritusirs Schultern fiel und von einem bunten Stirnband gehalten wurde.
    »Wenn du jetzt noch die Ohrringe mit den kleinen Anch-Zeichen trägst, meine Herrin, bist du wunderschön«, bemerkte Tia anerkennend, als sie ihrer Gebieterin die Stecker durch die Löcher in den Ohrläppchen schob und befestigte. Sie reichte Meritusir den polierten Kupferspiegel und trat lächelnd zurück.
    Die Priesterin erkannte sich kaum wieder. War diese Frau dort in der kupfernen ovalen Scheibe wirklich sie? Es verschlug ihr den Atem.
    »Unglaublich!«, murmelte sie und konnte kaum den Blick von ihrem Spiegelbild losreißen.
    Tia hatte ihr ober- und unterhalb der Augen dicke schwarze Koholstriche gemalt und diese bis zu den Schläfen verlängert. Die Augenlider waren bis hoch zu den schwarz gefärbten Brauen grün geschminkt und mit Goldstaub überzogen. Ihre Lippen leuchteten in einem strahlenden Rot, und auch ihre Wangen waren durch das Auftragen von Henna dezent gerötet.
    Überwältigt riss Meritusir ihren Blick von dem Spiegel und sah hoch zu ihrer Dienerin. »Ich glaube, mein Gemahl erkennt mich nicht wieder. So hat er mich noch nie gesehen.«
    Tia lachte. »O doch, meine Herrin, das glaube ich schon. Er hat doch nur Augen für dich.« Sie nahm Meritusir den Spiegel aus der Hand und bat sie, in die reich verzierten Sandalen zu schlüpfen.
    Wie benommen, kam Meritusir der Bitte ihrer Dienerin nach.
    »So, meine Herrin, nun wird es aber Zeit. Die ersten Gäste werden bald eintreffen. Du möchtest doch sicher nicht zu spät erscheinen?«
    Meritusir nickte und begab sich in die Haupthalle mit ihren wuchtigen Säulen, wo Amunhotep gerade Hekaib ein paar letzte Anweisungen gab. Er stand mit dem Rücken zu ihr und bemerkte ihr Erscheinen nicht, aber Hekaib hatte sie gesehen. Dem sonst so gewissenhaften und gut geschulten Haushofmeister blieb bei ihrem Anblick der Mund offen stehen und ihm quollen beinahe die Augen aus den Höhlen. Kurz darauf drehte sich auch Amunhotep um und starrte sie entgeistert an.
    Die beiden Männer machten so einfältige Gesichter, dass Meritusir schallend zu lachen begann. Sie breitete die Arme aus und drehte sich zweimal im Kreis.
    »Ich bin es, deine Gemahlin, Geliebter. Erkennst du mich denn nicht wieder oder gefalle ich dir so sehr, dass es

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