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Der Wunsch des Re

Der Wunsch des Re

Titel: Der Wunsch des Re Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Dietrich
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und ein sauberes Leinentuch, damit sie sich den Mund spülen und trocknen konnte. Als Meritusir fertig war, nahm sie ihre ganze Kraft zusammen und schlurfte in das Arbeitszimmer des Herrschers zurück.
    Ihr Gesicht hatte wieder etwas Farbe angenommen, und Ramses erlaubte ihr, sich zu setzen, damit sie ihm nicht zusammenbrach. Amunhotep musste stehen. Ihm bot der Herr der Beiden Länder keinen Stuhl an.
    »Was habt ihr mir dazu zu sagen?«
    Meritusir hielt den Blick gesenkt und brachte kein Wort heraus, doch Amunhotep sah offen zu Ramses auf.
    »Majestät, es ist sowohl mir als auch meiner Frau ein Rätsel, wie der Plan in fremde Hände geraten konnte. Ich versichere dir, dass weder Meritusir noch ich etwas damit zu tun haben.«
    »Das will ich sogar glauben, aber mein Vertrauen in euch beide ist stark erschüttert. Ich habe sowohl dich, Amunhotep, als auch dich, Meritusir, mit der Planung und Überwachung meines Ewigen Hauses beauftragt, was unter strengster Geheimhaltung erfolgen sollte. Nun finde ich die Pläne dafür in den Händen von Räubern und Dieben.« Ramses’ Stimme war laut geworden, und er hieb mit der rechten Faust erzürnt auf die Platte seines Arbeitstischs. »So hatte ich mir das nicht vorgestellt«, blaffte er. »Ich bin gewillt zu glauben, dass keiner von euch die Pläne an einen Dritten verkauft hat. Ihr seid aber eurer Pflicht nicht nachgekommen, sie vor fremdem Zugriff zu schützen. Ich denke ernsthaft darüber nach, euch dafür zu bestrafen.«
    Meritusir griff nach der Hand ihres Gemahls und klammerte sich an ihr fest. »Majestät«, wagte sie, wenn auch kläglich, einzuwenden, obwohl sie wusste, dass es sicher nicht ratsam war, in diesem Augenblick die Schuld anderen in die Sandalen zu schieben, »auch mir ist unverständlich, wie der Plan aus unserem Arbeitszimmer entwendet werden konnte. Und du bist im Recht, wenn du uns dafür bestrafen willst. Aber bitte vergiss nicht, dass das Arbeitszimmer von den Getreuen Deiner Majestät Tag und Nacht bewacht wurde.«
    »Willst du mir damit sagen, dass ich sie ebenfalls bestrafen soll?« Ramses’ Stimme war drohend, trotzdem nickte Meritusir.
    »Ja, Majestät. Sie haben, genau wie Amunhotep und ich, ihre Aufgabe schlecht gemacht. Und wenn du uns verurteilst, dann darfst du sie nicht ungestraft lassen. Das wäre gegen die Maat!« Meritusir hatte den Blick gehoben und sah dem Pharao fest in die Augen.
    Ramses verschlug es die Sprache. »Ich warne dich, Meritusir, treibe es nicht zu weit. Du bist mir zwar vom Großen Gott Osiris zum Geschenk gemacht worden, aber das hindert mich nicht daran, dich wieder zu dem zu machen, was du einst warst. Und ob ich dich dann wieder in den Haushalt eines hohen Herrn gebe oder zur Zwangsarbeit in den Steinbrüchen verurteile, bleibt mir überlassen. Auch dort werden fleißige Frauenhände gebraucht!« Er atmete schwer, und sein Blick war starr auf Meritusir gerichtet.
    Demütig senkte die Priesterin den Kopf. Sie war aber nicht gewillt, klein beizugeben. »Bitte, Majestät, verzeih, ich wollte dich weder erzürnen noch belehren. Ich wollte nur sagen, dass wir versuchen sollten, den Schuldigen zu finden, denn es kann nur jemand sein, dem die Getreuen Deiner Majestät erlauben, unseren privaten Arbeitsbereich zu betreten.«
    Ramses hatte den Kopf schräg gelegt und musterte sie. Er musste ihr Respekt zollen, dass sie trotz ihrer Furcht vor seiner Macht und der angedrohten Strafe ziemliche Hartnäckigkeit bewies.
    Er räusperte sich. »Wer sagt mir, dass sich der Plan tatsächlich in eurem Arbeitszimmer befand und nicht woanders?«
    »Das Wort meines Gemahls und das meine«, entgegnete Meritusir und sah zu Amunhotep hoch, der schweigend zugehört hatte, und ihre Worte mit einem Nicken bestätigte.
    Ramses stützte seinen Kopf in die linke Handfläche.
    Meritusir hatte sich wieder unter Kontrolle und bewies einmal mehr, dass sie anders als die meisten Frauen seiner Zeit war. Die wenigsten hätten sich getraut, ihm, dem Herrn der Beiden Länder, die Stirn zu bieten und mit ihm zu diskutieren, doch Meritusir zeigte davor keine Scheu.
    »Also gut, ich nehme euer Wort an. Doch ich frage: Wer hat außer euch beiden noch Zugang zum Arbeitszimmer? – Eigentlich laut meines Befehls niemand!«, beantwortete er im gleichen Atemzug selbst seine Frage.
    Verlegen trat Amunhotep von einem Bein auf das andere. »Das ist nicht ganz richtig, Majestät«, gestand er kleinlaut ein. »Nachdem Meritusir meine Frau geworden ist, musste jemand

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