Der Wunsch des Re
Gemahlin in Empfang zu nehmen. Er richtete ihnen aus, dass Ramses sie umgehend sehen wolle.
Meritusir und Amunhotep wechselten einen fragenden Blick, aber dem Befehl des Pharaos mussten sie gehorchen.
Schweigend folgten sie dem Diener, der sie durch verwinkelte schattige Gänge und über offene sonnendurchflutete Höfe zu den Privatgemächern des Herrn der Beiden Länder führte. Dort geleitete er sie weiter zum Arbeitsbereich des Herrschers und bat sie höflich, vor der Tür zu warten.
»Was hat das zu bedeuten?« Fragend sah Meritusir zu ihrem Gemahl auf. In ihrer Stimme schwang ein wenig Furcht. Sie hatte die rechte Hand auf ihren Bauch gelegt, der sich langsam unter ihrem engen Kleid abzuzeichnen begann.
»Ich weiß es nicht«, erwiderte Amunhotep und legte ihr beruhigend seinen Arm um die Schultern, »aber sorge dich nicht. Wir werden schon bald erfahren, was Ramses von uns will.«
Die Tür ging wieder auf, und der Beamte bat sie einzutreten.
Kurz darauf waren sie mit dem Pharao allein.
Ramses saß hinter seinem Arbeitstisch aus edlem Zedernholz und sah ihnen mit verschlossener Miene entgegen. Er trug einen einfachen weißen Schurz. Ein wunderschönes goldenes Pektoral mit Einlagen aus Fayence und Karneolen ruhte auf seiner Brust. Seine Handgelenke zierten silberne Armreife mit seinen königlichen Kartuschen, und auf dem Kopf trug er das blau-weiß gestreifte Nemes, an dessen Stirnseite sich der königliche Uräus aufbäumte.
Meritusir konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Augen der Schlange sie böse und wütend anfunkelten. Verunsichert schluckte sie und machte ihren Kniefall, während ihr Mann sich nur tief vor dem Pharao verneigte.
Ramses sagte kein Wort. Es schien eine Ewigkeit zu vergehen, bis er ihnen erlaubte, sich wieder aufzurichten. Dabei musterten seine Augen grimmig den Mann und die Frau. Es entging ihm nicht, dass Meritusir ihre Unruhe kaum verbergen konnte, wohingegen Amunhotep wie stets eine undurchdringliche Miene aufgesetzt hatte, die niemandem seine Gefühle oder Gedanken verriet.
Gut so, dachte er, griff nach einem kleinen Päckchen, das wie eine zusammengefaltete Schriftrolle aussah, und warf es den beiden Priestern vor die Füße.
»Was ist das?« Seine Stimme war ruhig, aber der gefährliche Unterton darin war nicht zu überhören.
Amunhotep bückte sich, hob das Päckchen auf und betrachtete es. Dann begann er es auseinanderzufalten.
Es war in der Tat eine Schriftrolle, die jemand wie ein Tuch zusammengelegt hatte.
Als der Inhalt der Rolle sichtbar wurde, bekam Meritusir weiche Knie.
»Kann mir einer von euch erklären, wie der Bauplan für die Sarkophagkammer in die Hände eines zwielichtigen Mannes geraten konnte? Man fand die Zeichnung in seinem Haus in einer der schmutzigsten Gassen von Theben. Nicht auszudenken, was dieser Schurke damit vorgehabt hat!«, dröhnte Ramses.
Sowohl Meritusir als auch Amunhotep waren unfähig zu antworten. Amunhotep behielt seine Fassung, aber Meritusir war einer Ohnmacht nahe. Um nicht zu stürzen, hielt sie sich am Arm ihres Mannes fest.
Ramses entging das nicht, und er hatte aufgrund ihrer Schwangerschaft Mitleid mit ihr und gestattete ihr, sich auf einen der beiden Stühle vor seinem Arbeitstisch zu setzen.
Amunhotep holte in der Zwischenzeit einen Becher Wasser von dem kleinen Tischchen in der hinteren Ecke des Raums und reichte ihn seiner Frau. Dabei hockte er sich mit dem Rücken zum König und streichelte sanft ihre Hand.
Nachdenklich betrachtete Ramses die beiden.
Meritusir hatte entsetzt auf den Inhalt der Schriftrolle reagiert. In ihrem Gesicht hatte so viel Unverständnis gestanden, dass er sich sicher war, dass sie sich nicht erklären konnte, wieso er einen Bauplan besaß, der sich eigentlich in Abydos befinden sollte. Amunhotep hingegen hatte durch keine Regung seine Gefühle gezeigt. Eigentlich war Ramses froh darüber, denn hätte er Erstaunen geheuchelt, hätte er ihm das nicht geglaubt.
»Mir ist übel«, flüsterte Meritusir und sah Amunhotep kläglich an. »Ich glaube, ich muss mich übergeben.« Sie war kreidebleich und hielt sich die Hand vor den Mund.
Ramses hatte ihre Worte vernommen und läutete nach einem Diener, dem er befahl, Meritusir in ein nahe liegendes Gemach zu bringen.
Meritusir folgte dem Mann und übergab sich kurz darauf in eine bereitgestellte Schüssel. Ihr war elend zumute. Der Schock saß tief.
Eine junge Dienerin erschien mit einer Schale Wasser und reichte ihr etwas Natron
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