Der Wunsch des Re
die Feierlichkeiten zu deinem Thronjubiläum vorüber sind. Die Nachricht Deiner Majestät war unmissverständlich:
Leitet sofort alles Nötige in die Wege!
Ich habe sie selbst gelesen.«
Überrascht zog Ramses die Augenbrauen in die Höhe. »Du hast mit eigenen Augen gelesen, dass ich den Befehl erteilt habe, die schadhaften Stellen umgehend auszubessern?«
»Ja, Majestät, in der Tat.«
»Wie ungewöhnlich«, meinte Ramses verwundert, »da ich nicht geschrieben habe.« Nachdenklich kratzte er sich am Kinn, hatte sich aber wieder etwas beruhigt. »Wo ist diese Nachricht? Ich will sie auf der Stelle sehen!«
Verlegen traten die beiden Propheten von einem Fuß auf den anderen.
»Das geht leider nicht«, entgegnete Nesamun kleinlaut und duckte sich leicht. »Sie ist verschwunden.«
»Was?« Erneut brach der Zorn aus Ramses heraus. Wütend hieb er mit der Faust auf den Arbeitstisch und sprang von seinem Stuhl hoch. »Sie ist verschwunden? – Was soll das bedeuten, Nesamun? – Willst du mich verspotten?«
Der Hohepriester schüttelte verneinend den Kopf. »Es ist mir unerklärlich, Majestät. Wir können sie einfach nicht mehr finden. Nachdem Amenophis sie erhalten und mir gezeigt hatte, legte er sie, wie üblich, zu den anderen ins Archiv des Tempels, doch dort ist sie nicht mehr.«
Ramses taxierte die Brüder mit zusammengekniffenen Augen. »Warum wisst ihr eigentlich, dass sie nicht mehr da ist? Welchen Grund gab es, dass ihr sie noch einmal lesen wolltet?«
»Den Vorfall von heute Morgen, Majestät.« Nesamun deutete eine Verbeugung an. »Als wir den Befehl erhielten, vor dir zu erscheinen, um über den Vorfall Rechenschaft abzulegen, beauftragte ich meinen Bruder, die Schriftrolle aus dem Archiv zu holen. Vielleicht war es eine dunkle Ahnung, dass etwas mit dem Schreiben nicht stimmen konnte. Ich weiß es nicht, Majestät. Dennoch haben wir bis eben nicht einen Moment lang daran gezweifelt, dass der Befehl von dir gekommen ist.«
»Habt ihr genau nachgesehen?«
»Ich gebe dir mein Wort, Majestät. Sie ist verschwunden. Zudem schwöre ich bei Amun-Re, dass weder Amenophis noch ich etwas damit zu tun haben.«
»Doch wer hat sie dann genommen, wer hat sie überhaupt geschrieben?«
Fragend blickte Ramses zu den beiden Priestern, die, genau wie er, ratlos waren. Er wusste, dass sowohl Nesamun als auch Amenophis treu zu ihm standen und es keinen Grund gab, ihren Worten zu misstrauen. Sie würden ihn nie belügen oder ihm womöglich nach dem Leben trachten. Doch wer steckte dann hinter alledem?
»Ihr könnt gehen!«, befahl er knapp. Er wollte mit einem Mal allein sein, um die Gedanken zu verfolgen, die sich in sein Herz zu drängen begannen.
Jemand hatte versucht, ihn zu töten, denn dass das kein Anschlag auf das Leben der Amun-Priester war, stand außer Frage. Aber wer war dieser Jemand? War es derselbe, der den Bauplan für die Sarkophagkammer stehlen ließ, um damit seinem Oberbaumeister und dessen Gemahlin zu schaden?
Ramses schenkte sich einen Becher Wein ein, an dem er gedankenversunken zu nippen begann. Plötzlich hielt es ihn nicht mehr auf seinem Platz. Er stellte den Becher auf den Tisch, erhob sich und durchmaß grübelnd sein Arbeitszimmer.
Wer war es und warum? Aus welchem Grund stand er jemandem im Weg? Und was hatten Amunhotep und Meritusir damit zu tun? Es stand für ihn fest, dass es einen Zusammenhang zwischen beiden Vorfällen geben musste.
Nachdenklich begab er sich in Isis’ Gemächer, um mit der Großen Königlichen Gemahlin darüber zu sprechen. Er erzählte ihr von der Unterredung mit den beiden obersten Propheten und von der Schriftrolle, die einen Befehl von ihm enthalten haben sollte, den er niemals gegeben hatte, und die nun nicht mehr auffindbar war.
Nachdem er geendet hatte, glitt der Blick der Königin nachdenklich durch den Raum und blieb an dem wundervoll verzierten Schrein hängen, in dem sich die Statue ihrer Schutzgottheit Isis befand.
»Vielleicht war es gar kein Anschlag auf dein Leben«, sagte sie nach einer Weile. Sanft strich sie über den Verband an seinem Arm. »Vielleicht galt er einem der Propheten.«
»Was ebenfalls nicht hinnehmbar wäre«, erwiderte Ramses. »Doch ich glaube nicht daran. Wenn das die Absicht gewesen wäre, hätte der Anschlag zu jeder beliebigen Zeit durchgeführt werden können. Es hätte dazu nicht eines gefälschten Befehls meinerseits bedurft. Zudem musste der Mann davon ausgehen, dass auch ich zu Schaden komme.«
»Diesem
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