Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Wunsch des Re

Der Wunsch des Re

Titel: Der Wunsch des Re Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Dietrich
Vom Netzwerk:
Pharao Bericht zu erstatten. Ramses war froh, als er hörte, dass es sich nur um die eine Zeichnung handelte. Trotzdem war ihm bewusst, dass es wohl inzwischen ein offenes Geheimnis war, was in Abydos geschah. Noch am selben Tag ließ er die Arbeiten an seinem Haus für die Ewigkeit im Königstal beenden.
    Er beauftragte Nachtanch mit der Suche nach Wenamun, doch der Steinmetz blieb spurlos verschwunden. In der Gegend um Theben war er niemandem bekannt. Schon bald schlussfolgerte der umsichtige Oberst der Medjai, dass Wenamun nicht aus der Gegend stammte. Er sandte zwei seiner verlässlichsten Männer in den Norden, doch auch dort verlief die Suche ohne Erfolg. Es war, als hätte es diesen Handwerker nie gegeben.
    Als Amunhotep von dem Anschlag auf das Leben des Königs erfuhr, war er zutiefst betroffen. Er verlor aber erst seine undurchdringliche Priestermiene, als Ramses ihm erzählte, dass er sein Leben Meritusir zu verdanken habe, die dabei verletzt worden sei.
    Amunhotep erbleichte unter seiner sonnengebräunten Haut. »Wie geht es meiner Gemahlin?« Das blanke Entsetzen stand ihm im Gesicht geschrieben.
    Ramses beruhigte ihn. »Es geht ihr schon wieder besser, und auch ihrem Kind ist wahrscheinlich nichts passiert.«
    Unruhig rutschte Amunhotep auf seinem Stuhl hin her. »Darf ich zu ihr?«
    »Aber natürlich, mein Freund. Du bist ein freier Mann und hast meine Erlaubnis, dich zurückzuziehen.«
    Das ließ sich Amunhotep nicht zweimal sagen. Er stand auf, verneigte sich und eilte zu seinem Anwesen.
     
    * * *
     
    Meritusir hatte sich nach dem Attentat in das Haus ihres Mannes begeben, obwohl Nesamun es lieber gesehen hätte, wenn sie bei ihm und seiner Frau geblieben wäre. Meritusir hatte jedoch dankend abgelehnt und war in einer Sänfte von vier Dienern des Amun-Tempels zu Amunhoteps Anwesen getragen worden, wo sie sich in ihre Gemächer zurückgezogen hatte.
    Hekaib und Tia hatten sich in den vergangenen zwei Tagen liebevoll um sie gesorgt, während Maiherperi mit grimmiger Miene jeden abgewiesen hatte, der sich ihren privaten Räumen zu nähern wagte. Selbst Moses hatte er den Zutritt verwehrt, was der Junge überhaupt nicht hatte verstehen können. Erst als ihn Meritusir am heutigen Tag zu sich rufen ließ, war seine Traurigkeit verflogen.
    Freudig kam er in ihr Schlafgemach geeilt und machte seine Verbeugung, die noch immer ziemlich ungelenk aussah, sodass sich die Priesterin ein Grinsen verkneifen musste.
    Sie lag auf ihrem Bett aus kostbarem Zedernholz, hatte ein dünnes Laken über ihren nackten Körper gedeckt und fragte: »Na, Moses, wie gefällt es dir in Theben?«
    Der Knabe zuckte mit den Schultern. Er war inzwischen zehn Jahre alt und um einiges gewachsen. »Bis jetzt habe ich noch gar nichts von der Stadt gesehen«, gab er unumwunden zu. »Ich kenne nur den königlichen Hafen und den Weg bis zum Anwesen des Gebieters.« Bei der Erwähnung des Palasthafens leuchteten seine Augen auf, denn er war genau wie Meritusir von den prachtvollen Barken schlicht überwältigt gewesen.
    »Wenn es mir wieder besser geht, gehen wir uns zusammen die Stadt ansehen«, versprach sie ihm, »denn auch ich habe noch nicht sehr viel von Theben kennengelernt.«
    »Danke, Herrin!« Freudig, aber ungeschickt, verneigte er sich abermals und erkundigte sich höflich, wie es ihr heute gehen würde.
    »Schon wieder etwas besser, aber noch lange nicht so gut, als dass ich mit dir durch die Stadt streifen könnte.« Sie lachte ihm freundlich zu. Dann forderte sie ihn auf, sich auf den Fußboden neben ihrem Bett zu setzen und ihr etwas aus der Schriftrolle vorzulesen, die sie ihm reichte.
    Etwas verstört kam Moses ihrer Aufforderung nach und entrollte mit zittrigen Händen den Papyrus. Er enthielt die Geschichte über einen schiffbrüchigen Seemann, den das Schicksal während eines Sturms im Schilfmeer in das sagenumwobene Land Punt verschlagen hatte, wo eine Schlange regierte.
    Anfangs klang Moses’ Stimme dünn und ängstlich. Meritusirs freundliches Lächeln gab ihm jedoch sein Selbstvertrauen zurück, sodass sein Vorlesen immer flüssiger wurde. Nur bei den schweren Wörtern und bei jenen, bei denen er die heiligen Zeichen noch nicht kannte, musste sie ihm helfen, und begierig nahm er diesen zusätzlichen Unterricht in sich auf.
    Meritusir war ziemlich erstaunt, dass Moses nach knapp zwei Jahren die heiligen Zeichen schon so gut beherrschte. Sie hatte allerdings in der Vergangenheit bereits des Öfteren feststellen

Weitere Kostenlose Bücher