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Der Wunsch des Re

Der Wunsch des Re

Titel: Der Wunsch des Re Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Dietrich
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»Senehat?« Verlegen seufzte er. »Verzeih mir, Majestät, ich bin ziemlich überrascht, das zu hören.«
    »Erklärst du mir, warum?«
    »Weil ich Senehat kenne. Sie scheint nicht gerade der Typ von Frau zu sein, zu dem sich Sethi bisher hingezogen fühlte. Fürs Bett wäre sie sicher die Richtige, aber nicht für ein gemeinsames Leben – zumindest nicht für Sethherchepeschef.«
    »Wenn du dich da nicht täuschst«, erwiderte Ramses wissend. »Mein Onkel scheint bis über beide Ohren verliebt zu sein, und ich gönne ihm sein Glück.«
    Amunhotep verkniff sich eine Antwort. Wahrscheinlich war Senehat nichts weiter als eine neue Eroberung, die es allerdings geschafft hatte, den Prinzen etwas länger an sich zu binden. Er schätzte Senenmuts Tochter nicht so ein, dass sie Sethi auf Dauer fesseln könnte. Allerdings musste er zugeben, dass sie damals noch fast ein Kind gewesen war, als er dem Amun-Tempel den Rücken gekehrt hatte. Bei seinen seltenen Besuchen in Opet-sut war sie ihm hin und wieder über den Weg gelaufen, doch schien sie nicht viel anders zu sein als die anderen jungen Frauen an Ramses’ Hof, von denen sich Sethi bisher abgestoßen gefühlt hatte. Er beließ es dabei.
    »Richte ihm meine Grüße aus«, sagte er aus Höflichkeit.
    »Das werde ich gerne tun.« Ramses erhob sich hinter seinem Arbeitstisch. »Doch nun eile dich, Amunhotep. Ich will, dass du umgehend nach Abydos zurückkehrst.«
    Die Audienz war beendet.

DREIUNDZWANZIG
     
     
     
     
     
     
     
    Ganz Theben war in Festtagsstimmung. Alle waren gekommen und wollten miterleben, wie sich Ramses in den Tempel des Amun-Re begab, um dem Gott aus Anlass seiner Thronbesteigung zu danken. Dicht gedrängt standen die Würdenträger auf dem Vorplatz von Opet-sut versammelt und erwarteten die Ankunft des Pharaos.
    Zur dritten Stunde des Tages erschien der Herrscher im vollen Ornat auf seinem Prunkwagen, der mit Gold, Silber und Edelsteinen verziert war und von zwei dunkelbraunen Hengsten gezogen wurde. Die Pferde trugen bunte Decken auf ihren Rücken und waren mit rot-blauen Federbüschen auf den Köpfen geschmückt.
    Am Beginn des Prozessionswegs, der vom Eingang zum Heiligtum bis hinunter zum Hafen des Tempels führte, zügelte Ramses seine edlen Rosse und stieg vom Wagen. Der Hüter der königlichen Insignien eilte herbei und überreichte ihm Krummstab und Geißel, die Ramses nahm und vor der Brust kreuzte. Dann begab er sich zum Tempelportal, wo ihn sein Thronsessel auf einem überdachten Podest bereits erwartete.
    Bedächtig schritt er an den Würdenträgern seines Landes vorbei, die sich bei seinem Anblick in den Staub des Weges warfen. Dabei fiel sein Blick auf den Anbau zu seiner Rechten, der zum Gedenken an seinen Großvater, Osiris Ramses III., errichtet worden war. Der linke Pylon wurde durch Baugerüste verschandelt. Unmut breitete sich in Ramses’ Herzen aus.
    Er konnte sich nicht erinnern, den Auftrag für irgendwelche Baumaßnahmen gegeben zu haben. Das würde ein Nachspiel für die Verantwortlichen geben, grollte er in sich hinein und nahm unter dem Baldachin Platz. Dann gab er das Zeichen, dass sich alle wieder erheben durften.
    Meritusir stand unweit des königlichen Podests und blickte verstohlen zum Pharao, zu dessen Rechten Wesir Nehi die große Ehre zuteil geworden war, neben dem Herrn der Beiden Länder zu stehen. Die linke Seite war verwaist, denn Amunhotep war nach Abydos unterwegs.
    Traurig senkte sie den Blick.
    Als sie wieder hochsah, entdeckte sie Sethi, der keinerlei Notiz von ihr nahm. Ihm zur Seite stand eine sehr junge Frau, die ihn ganz offen anhimmelte.
    Hoffentlich ist das endlich seine Frau fürs Leben, dachte die Priesterin und kratzte sich geistesabwesend am linken Oberarm.
    Ihr Blick schweifte über den Vorplatz. Was für ein Anblick!, durchfuhr es sie.
    Knapp fünf Jahre war es nun her, dass sie zum ersten Mal hier gestanden hatte. Auch damals schon war dieser Moment für sie atemberaubend gewesen, damals vor gut 3100 Jahren in der Zukunft. Was sich aber nun ihren Augen bot, war schlicht überwältigend.
    Der Torbau, der zum eigentlichen Tempelkomplex führte, war gigantisch. Er war von Haremhab begonnen und von Ramses II. beendet worden. Meritusir schätzte, dass er, in ihren Längeneinheiten gemessen, gut achtundneunzig Meter lang war und mindestens fünfunddreißig Meter in die Höhe ragte. Seine Mauern waren makellos schön und verbargen die Steine des Aton-Tempels von Echnaton, die Haremhabs Baumeister

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