Der Wunsch des Re
Argument kann ich mich nicht entziehen«, gestand Isis und schmiegte sich an ihren Gemahl. »Wenn du sagst, dass die Rolle mit deinem angeblichen Befehl aus dem Archiv verschwunden ist, solltest du mit deinen Untersuchungen dort beginnen. Wer hat Zugang zum Archiv?«
»Sicher viele. Beinahe jeder Schreiber und Priester darf es betreten.«
»Wer hätte die Möglichkeit gehabt, die Malereien am Pylon zu beschädigen?«
»Auch da werden eine Reihe von Männern infrage kommen.« Ramses seufzte entmutigt. »Ich werde Nehi den Befehl erteilen, die Untersuchungen zu führen.«
»Tue das, Ramses, setze die Maat wieder über das Chaos.«
* * *
Pflichtschuldig erkundigte sich Sethi am Nachmittag bei Ramses nach dessen Befinden und bekundete seine Abscheu über diesen grässlichen und hinterhältigen Anschlag auf das Leben Seiner Majestät. Überschwänglich drückte er seine Freude über das glimpfliche Davonkommen seines Neffen aus und zog sich anschließend in seine Gemächer zurück, wo Senehat bereits sehnsüchtig auf ihn wartete.
Als sie ihn sah, sprang sie auf und eilte auf ihn zu, um sich ihm in die Arme zu werfen.
»Es war so schrecklich!«, jammerte sie. »Wie konnte so etwas bloß passieren?« Sie schmiegte ihren jungen, schlanken Körper an den des Prinzen. »Ich danke den Göttern, dass sie meinem Vater über Nacht Hitzedämonen geschickt haben, die ihn seit heute früh plagen, sodass er an der Zeremonie nicht teilnehmen konnte.« Sie sah zu Sethherchepeschef auf, der mit seinen Gedanken weit, weit fort war. »Hörst du mir eigentlich zu?«, fragte sie gereizt und löste sich aus seinen Armen, die er ihr pflichtschuldig um die Schultern gelegt hatte. Sie baute sich vor ihm auf und stemmte empört die Hände in die schmalen Hüften. »Seine Majestät ist um Haaresbreite dem Tod entronnen, der auch meinen Vater und die anderen Propheten hätte treffen können, und du, du hörst mir einfach nicht zu!«, fauchte sie gereizt und funkelte ihn wütend an. »Was bist du bloß für ein Mensch!«
»Halt den Mund, Senehat!«, fuhr Sethi sie rüde an. »Auch mir geht dieser Vorfall nahe. Ich überlege ständig, wie so etwas passieren konnte. Deshalb gehe jetzt und lass mich allein.«
»Was?« Wütend stand Senehat vor dem Prinzen, fasste sich aber recht schnell und lief weinend fort.
»Dumme Gans!«, knurrte Sethi, nachdem Senehat seine Gemächer verlassen hatte.
Wenn er Ramses nicht den verliebten Prinzen vorspielen müsste, hätte er sich nicht im Traum mit einer Frau wie der Tochter des vierten Amun-Propheten eingelassen. Nun galt es jedoch, den Schein zu wahren und bis zum bitteren Ende durchzuhalten.
Er schenkte sich einen Becher Wein ein und begab sich in den Garten.
Senenmut hatte kläglich versagt. Ramses war noch immer am Leben und hatte nur ein paar Kratzer abbekommen. Dafür war seine geliebte Meritusir verwundet worden, doch, wie er gehörte hatte, war sie nicht schwer verletzt. Einzig das Schicksal ihres ungeborenen Kindes schien ungewiss, denn sie war bei ihrem Sturz auf den Bauch gefallen. Keiner der Hofärzte konnte mit Gewissheit sagen, ob das Leben, das in ihrem Körper wuchs, Schaden genommen hatte. Doch das war ihm eigentlich egal. Es war aus dem Samen von Amunhotep, dem verhassten Rivalen. Für Meritusir hätte es ihm in gewisser Weise leidgetan; sie wäre sicher eine gute Mutter. Dennoch würde er keine Träne vergießen, wenn das Kind tot geboren werden würde. Einzig um Meritusirs Gesundheit fürchtete er.
Er setzte sich mit angezogenen Knien unter einen Baum und starrte in den kleinen Teich zu seinen Füßen.
Der Vierte Prophet hatte alles klug eingefädelt. Erst hatte er durch einen bezahlten Handlanger die Malereien am Pylon beschädigen lassen, dann die Botschaft an Ramses abgefangen und die Antwort gefälscht. Weder Nesamun noch Amenophis war aufgefallen, dass das Schreiben nicht von Ramses gekommen war. Anschließend hatte Senenmut die Schriftrolle wieder aus dem Tempelarchiv gestohlen und hatte sie verbrannt. In der Nacht vor der heutigen Zeremonie hatte sein Handlanger dann den Trog mit den Steinen auf das Gerüst geschafft. Um nicht selbst verletzt zu werden, hatte Senenmut eine schwere Erkältung mit Schüttelfrost vorgetäuscht und war heute im Bett geblieben. Dennoch waren all seine Mühen umsonst gewesen!
Wütend schleuderte Sethi den Becher in den Teich, wo dieser auf der Wasseroberfläche hin und her wippte, um dann schließlich langsam zu versinken.
Zumindest
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