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Der Wunsch des Re

Der Wunsch des Re

Titel: Der Wunsch des Re Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Dietrich
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können, dass der Nubier ein kluger Kopf war, was ihm nicht immer die Zuneigung seiner Mitschüler eingebracht hatte. Mehrmals war es schon vorgekommen, dass sie sich zusammengetan hatten, um ihn zu verprügeln. Moses ließ sich natürlich nichts gefallen und wehrte sich. Als Amunhotep davon Wind bekommen hatte, waren am Folgetag empfindliche Strafen für die Rädelsführer dieser Prügeleien verhängt worden. Seitdem ließen die Kinder Moses in Ruhe. Sie hatten bemerkt, dass er unter dem Schutz seines hohen Gebieters stand.
    »Gibt es dieses Land Punt wirklich?«, wollte Moses wissen und sah Meritusir aus großen fragenden Augen an.
    »Ja, das gibt es«, antwortete sie.
    »Und wo liegt es?«, kam sofort seine nächste Frage.
    »Irgendwo an den Ufern des Roten Meeres ganz tief im Süden der Welt.«
    Moses riss die Augen noch weiter auf, sodass das Weiße darin deutlich zu erkennen war. »Was, am Ende der Welt?«, hauchte er, und Meritusir musste lächeln.
    »So ungefähr.« Sie wusste nicht, ob sie dem Jungen erklären sollte, dass es kein Ende gab, da die Erde eine Kugel war. Sie beließ es einfach dabei und forderte ihn auf, weiterzulesen.
    Moses’ Wissensdurst war aber noch längst nicht gestillt. »Ist außer dem Seemann schon mal ein anderer Mensch in diesem Land gewesen?«
    »Ja, Moses, aber das ist eine andere Geschichte. Lies zuerst diese zu Ende. Später können wir uns darüber unterhalten.«
    Gehorsam kam der Junge der Aufforderung nach.
    Kaum dass die Geschichte aber zu Ende und der Papyrus wieder zusammengerollt waren, sprudelte er los und stellte eine Frage nach der anderen.
    Meritusir wusste nicht so recht, ob sie dem Knaben von der Frau erzählen sollte, die wie ein Mann auf dem Thron der Beiden Länder gesessen und diese Reise befohlen hatte. Die göttliche Macht jedoch, die über ihren Körper und ihren Geist gebot, schien nichts dagegen einzuwenden zu haben. Und so erzählte sie Moses über Hatschepsut, den weiblichen Pharao der 18. Dynastie, die von ihren Untertanen Maatkare genannt worden war und dem Land der Biene und der Binse ungefähr zwanzig segensreiche Jahre in Frieden und Wohlstand beschert hatte.
    »Durch ihren Wesir und Architekten Senenmut«, berichtete Meritusir dem Knaben, »ließ sich Osiris Hatschepsut einen grandiosen Felsentempel an den Fuß der thebanischen Berge bauen. Er geht über drei Terrassen und wurde damals von einer prachtvollen Gartenanlage mit den Weihrauchbäumen gesäumt, die sie aus dem Lande Punt hatte bringen lassen, um die Nase ihres Vaters Amun zu erfreuen.«
    Staunend saß Moses auf dem Fußboden neben Meritusirs Bett und starrte zu ihr hoch. Sein Mund stand offen, und er war unfähig, ein Wort zu sagen, so sehr war er beeindruckt von dem, was er soeben erfahren hatte.
    »Wenn es meine Zeit erlaubt und mein Gemahl keine anderen Dinge plant, sobald er wieder in Theben weilt, fahren wir auch dort zusammen hin und schauen uns alles an«, versprach Meritusir. »Ich weiß zwar nicht, wie weit du an das Heiligtum von Osiris Hatschepsut herangelangen wirst, aber sehen kannst du es auf jeden Fall.«
    Begeistert strahlte der Junge übers ganze Gesicht. »Danke, meine Gebieterin«, lachte er, während Meritusir verstohlen schmunzelte.
    Amunhotep hatte schon eine ganze Weile im Eingang gestanden und seiner Gemahlin zugehört.
    »Es freut mich, dass es dir schon wieder so gut geht, dass du Reisepläne schmiedest«, sagte er und trat in den Raum hinein.
    Überrascht drehten sich die Frau und der Knabe ihm zu.
    »Amunhotep!«, rief Meritusir freudig aus und wollte aufspringen, doch ihr tat noch der geprellte Unterleib weh, sodass sie es lieber bleiben ließ.
    Moses hingegen kam geschwind auf die Beine und verneigte sich ehrerbietig vor seinem Herrn, der nur Augen für seine Frau hatte. Also legte er die Schriftrolle auf einen der kleinen Beistelltische und zog sich leise zurück.
    »Wie geht es dir, meine Liebe?« Amunhotep beugte sich zu Meritusir hinunter, um sie zu küssen.
    »Mit einem Mal bedeutend besser«, erwiderte sie lachend und schlang ihre Arme um seinen Hals. Ihre Lippen fanden seine, und Amunhotep glitt neben ihr auf das Bett.
    »Ich bin sofort zu dir geeilt, nachdem Ramses mir von dem Mordanschlag erzählt hat«, berichtete Amunhotep und strich ihr zärtlich über die Wange. »Wer hat das getan?«
    »Ich weiß es nicht«, hauchte sie ihm ins Ohr. Sie begann an seinem Ohrläppchen zu knabbern, doch abrupt hörte sie damit auf und fing an zu schluchzen. »Ich

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