Der Wunsch des Re
Änderung ihrer Meinung zu.
»Und wenn nun unsere Tochter strampelt?«, neckte er sie und streichelte noch immer sanft ihren Bauch.
»Es wird ein Knabe, Amunhotep, da bin ich mir sicher. Und weißt du auch, warum?«
»Nein, doch du wirst es mir sicher gleich verraten.«
»Richtig. Es
muss
ein Junge werden, denn für ein Mädchen ist mir noch immer kein passender Name eingefallen, für einen Sohn aber schon.« Sie lachte ihn vorwitzig an und küsste ihn.
Anschließend gaben sie sich der Liebe hin und erschienen beinahe zu spät in Opet-sut.
Als Meritusir Amunhoteps Eltern gegenüberstand, senkte sie verlegen den Kopf und starrte zu Boden. So richtig wusste sie nicht, wie sie sich den beiden gegenüber verhalten sollte. Auch wenn sie inzwischen eine freie Frau war und sich eigentlich nicht mehr zu ducken hatte, sie fühlte sich nicht wohl.
Nesamun hatte ihre Unsicherheit bemerkt. »Ich freue mich, dich als neues Mitglied unserer Familie begrüßen zu dürfen.«
»Danke, Hoher Herr«, erwiderte sie krächzend und räusperte sie sich.
»Aber nicht doch
Hoher Herr
«, sagte Nesamun und trat einen Schritt auf sie zu. »Du bist jetzt die Gemahlin meines Sohns und somit meine Tochter, Meritusir. Sage
Vater
zu mir.« Er nahm sie in die Arme und drückte sie liebevoll an sich.
Meritusir war der Hals wie zugeschnürt. Vor Rührung überwältigt, brachte sie erst einmal kein Wort heraus. Nur ein leiser Schluchzer entrang sich ihrer Kehle. In diesem Moment spürte sie, wie sehr sie ihre eigene Familie vermisste. Die Tränen wollten ihr in die Augen treten, doch sie bezwang den Wunsch, ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen.
Als Nächstes wurde sie der gesamten Familie vorgestellt.
Nesamuns Bruder Amenophis nebst Gemahlin und Amunhoteps ältere Schwester waren neben Amunhoteps Mutter ebenfalls anwesend. Alle waren nett und freundlich zu ihr, sodass sich Meritusir heimisch und geborgen fühlte. Einzig Amunhoteps Mutter schien ihr nicht ganz so wohlgesonnen zu sein, obwohl sie sich alle Mühe gab, das zu verbergen. Meritusir schob es auf das altbekannte Problem im Verhältnis zwischen Schwiegertöchtern und Schwiegermüttern, was allem Anschein nach keine Erfindung der Neuzeit war.
Nesamun entging nicht, dass es zwischen beiden Frauen leichte Spannungen gab. Nachdem alle gegangen waren, stellte er seine Gemahlin zur Rede.
»Was hast du gegen Meritusir?«
»Nichts, unser Sohn hätte allerdings eine standesgemäßere Gemahlin verdient. Sie ist eine Fremdländerin.«
»Ja und?« Verständnislos sah Nesamun seine Gemahlin an. »Selbst seine Majestät hat fremdländische Frauen in seinem Harim.«
»Es tut mir leid «, erwiderte sie, »ich kann mich meiner Gefühle nicht erwehren. Meritusir ist zwar nett und freundlich, vor allem scheint sie sehr gebildet zu sein. Ich hatte mir für unseren Sohn aber eine andere Gemahlin erhofft.« Sie drehte sich um und verschwand aus dem Saal.
Kopfschüttelnd sah Nesamun ihr hinterher und begab sich anschließend in sein Schlafgemach.
* * *
Wie versprochen, fuhr Meritusir zusammen mit Moses zum Tempel von Osiris Hatschepsut, und Amunhotep begleitete sie dabei.
Majestätisch schmiegte sich das mächtige Heiligtum an die steil aufragenden Felswände des Talkessels. Über eine lange Rampe gelangte man zur unteren Terrasse und von dort weiter zur oberen, hinter der sich ein Sonnenhof mit Heiligtum sowie die Sanktuarien der Königin Hatschepsut, der Göttin Hathor und das Allerheiligste befanden. Weithin sichtbar konnte man auf der oberen Terrasse die Standbilder der Pharaonin in Form von Osirispfeilern sehen, die erhaben über das weite fruchtbare Ufer hinüber zur Stadt Theben blickten. Seit nunmehr knapp dreieinhalb Jahrhunderten wohnten sie jeden Tag Res Wiedergeburt am östlichen Horizont bei und erwärmten sich in seinen Leben spendenden Strahlen, die sich über das Heiligtum ergossen. Der gesamte Komplex war einstmals durch eine hohe Mauer umgrenzt gewesen, hinter der sich eine weitläufige Parkanlage mit den sorgsam gehüteten Weihrauchbäumen befunden hatte. Nun holte sich die Wüste Stück für Stück ihr Land zurück. Schon lange wurde in den Mauern dieses wundervollen Komplexes keine heiligen Zeremonien mehr durchgeführt, sodass Moses seine Herrschaften begleiten durfte.
Fast einen halben Tag verbrachten die beiden Eheleute und der Knabe im Inneren des Tempels. Sie sahen sich alle Räumlichkeiten an, die zum Teil unter der Zerstörungswut nachfolgender Herrscher
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