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Der Wunsch des Re

Der Wunsch des Re

Titel: Der Wunsch des Re Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Dietrich
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geschrien und getobt, doch warum eigentlich? War sie Amunhotep böse, dass er ihr kein wertvolleres Amulett zum Zeichen seines Dankes geschenkt hatte? Oder lag es womöglich daran, dass sie Rerut nicht ihres aus Kupfer gönnte? Oder ...?
    In diesem Moment wurde ihr bewusst, dass das alles nicht die Gründe für ihren Gemütszustand waren. Sie fühlte sich zutiefst verletzt, weil sie Rerut nicht den Mann gönnen konnte, mit dem diese intim gewesen war. Meritusir war schlicht und ergreifend eifersüchtig auf die Leibeigene und erkannte, dass sie sich in den vergangenen Monaten in Amunhotep verliebt hatte.
    Na endlich!
, seufzte die Stimme erleichtert.
Ich dachte schon, du merkst es nie.
    Über diese Erkenntnis einigermaßen überrascht, nahm sich Meritusir vor, ihre Gefühle vor Amunhotep tunlichst zu verbergen. Immerhin schien er an ihr keinerlei Interesse zu haben. Anderenfalls hätte er sich nicht Rerut auf sein Lager geholt.
    Unsinn
, murmelte die Stimme,
vielleicht ist er nur genauso blind wie du.
    Egal, konterte Meritusir beleidigt, ich werfe mich ihm nicht an den Hals. Wenn er nicht den Schritt auf mich zu macht, wird er es nicht erfahren.
    Ganz so einfach war das allerdings nicht.
    Schon am folgenden Morgen bemerkte Amunhotep eine Veränderung an Meritusir, konnte jedoch nicht den Grund für ihre plötzliche Zurückhaltung erkennen. Sie schien ihm über Nacht etwas wortkarg geworden zu sein und starrte immerfort zu Boden, als sie ihm beim Ankleiden half. Amunhotep machte sich keinerlei Gedanken darüber. Er schob es auf eine schlecht verbrachte Nacht. Erst als er vier Tage später aus Theben zurückkehrte und sie sich noch immer recht seltsam verhielt, stellte er sie zur Rede.
    »Habe ich dir irgendetwas getan?«
    »Wie kommst du darauf?«, fragte Meritusir zurück. »Du bist immer gut zu mir und hast mir nie wehgetan.« Ein leichtes Zittern durchfuhr ihren Körper bei diesen Worten, denn es kamen die schmerzlichen Erinnerungen an das Haus des thebanischen Kaufmanns in ihr wieder hoch.
    Amunhotep entging das nicht, und er trat auf sie zu. »Du musst dich nicht fürchten, Meritusir. Solange du in meinem Haushalt und in diesem Tempel bist, wird dir niemand das antun, was man dir früher angetan hat«, versprach er ihr leise. »Sollte irgendetwas vorgefallen sein, sage es mir. Ich schwöre dir bei Amun und Osiris, dass ich den Mann sofort den Medjai übergeben werde.«
    Sie sah hoch und war Amunhotep für seine Worte dankbar.
    Könntest du mich jetzt nicht in die Arme nehmen und zärtlich drücken?, durchfuhr es sie, und sie wurde feuerrot im Gesicht.
    Schnell senkte sie wieder den Kopf, damit Amunhotep ihre Verlegenheit nicht bemerken konnte.

ZWÖLF
      
     
     
     
     
     
     
    Wochen und Monate vergingen. Als der Fluss stieg, begann mit dem neuen Jahr und auch der Kreislauf des Lebens von vorn. Die Ernte war nicht so gut ausgefallen wie erwartet, und die Überschwemmung setzte zwei Wochen später ein als gewöhnlich. Die Menschen fürchteten bereits, dass die Götter sich von ihnen und den Beiden Ländern abgewandt hätten. Dann aber sahen sie ihren Pharao auf der Reise nach Süden, und sie fassten wieder neuen Mut und Zuversicht.
    Ramses befand sich auf dem Weg nach Abydos zu den alljährlichen Mysterienspielen, bei denen die altbekannte Geschichte von der Ermordung des Osiris durch seinen Bruder Seth aufgeführt wurde. Um seiner Familie nahe zu sein, hatte er seine engsten Angehörigen auf dieser Reise mitgenommen. Unter ihnen befanden sich sein Onkel Sethi und seine Halbschwester Bintanat. Letztere sollte allerdings die Reise nach Theben fortsetzen. Ramses gedachte nicht, sie in Abydos auf Amunhotep treffen zu lassen.
    »Schade, dass mein königlicher Halbbruder mir nicht erlaubt hat, den Feierlichkeiten beizuwohnen«, gestand Bintanat leicht verärgert Sethi.
    Dieser grinste anzüglich übers ganze Gesicht. »Das kann ich mir vorstellen, obwohl dein Interesse wohl eher einem Priester als dem Gott gehört«, antwortete er, und sie schnitt ihm eine Grimasse.
    Sethi war seinem Neffen dankbar, dass er in der Stadt des Osiris verweilen durfte, doch das erzählte er seiner Nichte nicht.
    Über ein Jahr war es her, dass er Meritusir zum letzten Mal gesehen hatte. Er grollte Amunhotep nicht mehr, obwohl ihn dieser aus seinem Haus hatte werfen lassen. Wenn Sethi seiner Angebeteten erst einmal das gesagt haben würde, was er ihr schon vor Ewigkeiten hätte mitteilen sollen, würde sie ihm so oder so gehören.

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