Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Wunsch des Re

Der Wunsch des Re

Titel: Der Wunsch des Re Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Dietrich
Vom Netzwerk:
es ein Privileg, an der Stätte der Wahrheit dienen zu dürfen. Jeder Handwerker in den Beiden Ländern träumt davon. Sie haben die große Ehre, die ewigen Häuser für dich und deine Familie zu bauen. Zudem führen sie ein außerordentlich gutes Leben.«
    »Das sagte sich auch Nachtanch«, fuhr Ramses fort. »Er ließ landesweit nach dem Mann suchen. Man fand ihn schließlich in der Nähe von Per-Ramses, wo er ein beachtliches Anwesen sein Eigen nannte, was er sich unmöglich hatte leisten können. Er wurde gründlich verhört. Anfangs log er, doch der Stock löste seine Zunge, und er gestand die Beteiligung an dem Raub, konnte aber keine Hinweise zu den anderen Männern geben, die ihn verübt haben. Nehi selbst hat als Vertreter Meiner Majestät den Vorsitz des Gerichts geführt und den Mann zum Tod durch Pfählen verurteilt.«
    »Eine grauenvolle, aber gerechte Strafe für ein solch abscheuliches Verbrechen«, urteilte Amunhotep und griff ebenfalls nach seinem Wein.
    »Doch ich bin vom eigentlichen Thema abgeschweift«, stellte Ramses fest. »Ich werde dir Arbeiter schicken, die mein Grab in Abydos aus dem Felsen schlagen und dekorieren werden. Also kehre in die Stadt des Osiris zurück und beginne mit dem Bau der Unterkünfte. Wenn du fertig bist, wende dich an deinen Vater. Nesamun weiß Bescheid und wird dir die entsprechenden Männer senden.«
    Am folgenden Tag fuhr Amunhotep nach Abydos zurück, um sofort alle verfügbaren Kräfte zu mobilisieren, damit die Unterkünfte schnellstmöglich fertiggestellt werden konnten.
    Es wurden Unmengen an Ziegeln dafür benötigt, die aus einer zähen Masse aus Lehm, Schlamm und zerkleinertem Stroh hergestellt, in vorgegebene Formen gestrichen und anschließend in der Sonne getrocknet wurden. Knapp einen Monat später waren die Gebäude fertig. Die Steinhauern aus dem thebanischen Handwerkerdorf trafen in Abydos ein und mit ihnen ein weiterer Trupp Soldaten der königlichen Leibwache, die das Baugeländes absichern sollten.
    Fortan herrschte emsiges Treiben auf der Tempelbaustelle.
    »Es ist so aufregend«, gestand Meritusir dem Hohepriester begeistert, als die beiden abgearbeitet und müde von Ramses’ zukünftigem Heiligtum am Fuße der Berge zum Osiris-Tempel strebten. »Zugegeben, das Heraushauen der absteigenden Gänge ist nicht ganz so interessant, aber am Bau der großen Säulenhalle kann ich mich einfach nicht sattsehen. Es ist beeindruckend, wie die wuchtigen Pfeiler täglich mehr Gestalt annehmen und unaufhörlich in den Himmel wachsen. Zudem muss ich immer wieder den Menschen deiner Zeit meinen ehrlichen Respekt zollen, wie sie es einzig und allein mit ihrer Muskelkraft und ihrem Einfallsreichtum schaffen, solche Wunderwerke zu erbauen.«
    Sie war ziemlich erstaunt, dass ihr die letzten Worte überhaupt hatten von den Lippen kommen dürfen, während Amunhotep sie zu gern gefragt hätte, wie die Menschen in ihrer Zeit Tempel errichten. Er verkniff sich jedoch die Frage, da er ahnte, dass sie ihm darauf nicht würde antworten dürfen.
    Schweigend gingen sie ein Stück des Weges nebeneinander her und hingen ihren Gedanken nach.
    »Ich werde in der kommenden Woche nach Theben fahren«, hob Amunhotep schließlich wieder zu sprechen an, »um meinen Pflichten als Oberster Baumeister im Königstal nachzukommen. Dann werde ich meinen Vater bitten, die restlichen Handwerker zu senden. Die Wandflächen müssen begradigt und verputzt werden, damit die Steinmetze mit der Arbeit beginnen können. Ihnen folgen die Maler, um alles in leuchtenden Farben auszuschmücken.«
    »Ich bin gespannt, wie es aussehen wird, wenn alles fertig ist«, sagte Meritusir, und er schmunzelte.
    »Bis dahin wird der Fluss sicher noch einige Male steigen und wieder fallen.« Er räusperte sich. »Während meiner Abwesenheit wirst du über die Arbeiten an Ramses’ Grab wachen. Nur dich lassen die Soldaten in seine Nähe. Netnebu wird sich um Bautätigkeit am Säulensaal kümmern.«
    Meritusir verschlug es vor Stolz fast Sprache, und sie nahm sich vor, Amunhotep nicht zu enttäuschen.
    Sie hatten das Osiris-Heiligtum erreicht.
    »Schicke Rerut in die Küchen«, wies Amunhotep Meritusir an. »Sie soll mein Essen holen. Dich brauche ich heute Abend nicht mehr.«
    Meritusir bejahte und machte sich auf die Suche nach der knapp zwanzigjährigen Leibeigenen, die sich der Hohepriester in seinen Haushalt geholt hatte, nachdem sie Priesterin geworden war und nicht mehr die Zeit hatte, sich um die anfallenden

Weitere Kostenlose Bücher