Der Wunsch des Re
und wurden von den kleineren Booten Richtung Süden geschleppt. Aber auch am Ufer warteten bereits ausgesuchte Männer darauf, sie an langen dicken Tauen nach Opet-resut zu ziehen. Jedes Jahr stritten sich die höchsten Würdenträger der Beiden Länder um diese schweißtreibende Arbeit, die für sie eine der größten Auszeichnungen darstellte, die sie sich jemals erhoffen durften.
Der Jubel des Volkes war ohrenbetäubend und schien grenzenlos, als sie Ramses mit der Doppelkrone auf dem Kopf und mit Krummstab und Geißel vor der Brust gekreuzt auf seinem Schiff erblickten. Alle waren gekommen, um den Auszug des Amun-Re zu feiern und seinen Sohn, den mächtigen Pharao, zu sehen.
Sie lieben mich, sinnierte Ramses und ließ den Blick über seine Untertanen schweifen. Und sie erwarten von mir, dass ich ihnen auch weiterhin Glück und Wohlstand beschere.
Er räusperte sich und wiederholte seine Antwort in der Hoffnung, Isis würde sie in dem Tumult verstehen. »Bintanat hat einen Meineid abgelegt.«
»Bintanat?«
Ramses nickte kaum merklich.
Eine weitere Unterhaltung schien aussichtslos in Anbetracht der Tatsache, dass er seinen gelassenen Gesichtsausdruck beibehalten musste.
Seine Augen schweiften zum Ufer, wo sich ein weiterer Festzug formiert hatte. Er bestand aus der königlichen Familie, den thebanischen Priestern sowie seinen Beamten und Würdenträgern und wurde von Musikerinnen, Sängerinnen und Tänzerinnen begleitet. Derweil feierte sein Volk ausgelassen. Die Leute hatten sich in ihre besten Gewänder gehüllt und die schönsten Perücken für diesen Anlass herausgesucht. Überall blitzte und funkelte es, wenn sich Res Strahlen im Geschmeide der Reichen brach. Aber auch all jene, die nicht ganz so gut betucht waren, hatten sich, dem Anlass gemäß, feierlich herausgeputzt.
Die Prozession dauerte mehrere Stunden, da alle auf dem Weg gelegenen Götterschreine mit Opfergaben überhäuft wurden. Als die beiden Barken sich dem Heiligtum der Göttin Mut näherten, stießen die Flussbarken der Mut und ihres Sohns Chons hinzu, sodass sich ein imposantes Geschwader aus vier prachtvollen Schiffen von der Wasserseite her Opet-resut näherte. Der Tempelkomplex war der südlichen Harim des Gottes Amun. In seinen Mauern residierte der Gott Amun-Min.
Nachdem alle Boote am Anleger vertäut waren, trat Nesamun an den Landungssteg. »Der Große Gott Amun-Min heißt dich willkommen, o Herr der Beiden Länder Usermaatre Setepenre Ramses, Majestät – lebe, sei heil und gesund«, proklamierte er salbungsvoll und neigte vor Ramses tief seinen Rücken.
Erneut wurden die Götterbarken von kräftigen Priestern geschultert und entschwanden den Blicken des Volkes in das geheimnisvolle Unbekannte des Tempels.
Der Pharao folgte ihnen und mit ihm die hohe Priesterschaft der thebanischen Schutzgottheit.
Die folgenden siebenundzwanzig Tage sollten die Statuen im Tempelbezirk von Opet-resut verbleiben. Erst am letzten Tag des größten und bedeutsamsten Festes würden sie wieder ihre Heimreise antreten. Blumengeschmückte Ochsen würden zum Ruhme des Amun und seines Sohnes, des Pharaos, an diesem letzten Tag geopfert werden. Ramses selbst würde während der gesamten Zeit täglich zu Amun-Min beten, einem potenten Gott, der die Erde befruchtete und somit für reiche Ernten sorgte. Durch all diese Gebete und Zeremonien sollte der König mit seinem göttlichen Ka zusammengeführt werden, auf dass Nesamun zum Abschluss der Feierlichkeiten besten Gewissens verkünden konnte: »Der Herrscher über das Land der Biene und das Land der Binse hat die Stärke und die Großzügigkeit des Gottes Amun für das kommende Jahr wieder in sich vereint. Seine Majestät, der mächtige Falke, ist somit die Quelle des Reichtums, des Wohlergehens und des Überflusses für die Menschen des Schwarzen Landes. Verneigt euch vor ihm und huldigt seiner Göttlichkeit.«
* * *
Am Abend nach dem Gottesurteil ersuchte die Mutter von Bintanat um eine Audienz.
»Ich flehe dich an, Majestät«, bat die Fürstentochter aus Kanaan, die der Große Horus, Osiris Ramses VI., zu seiner Nebengemahlin gemacht hatte, »lass Gnade walten. Vergib meiner Tochter und sei milde bei deinem Urteil über sie.« Sie lag auf den Knien vor Ramses, und die Tränen rannen ihr übers Gesicht.
»Ich kann Bintanats Vergehen nicht herunterspielen«, erwiderte Ramses. »Ich versichere dir aber, dass ich deiner Tochter nicht nach dem Leben trachte. Zu mehr Zugeständnissen bin ich
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