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Der Wunsch des Re

Der Wunsch des Re

Titel: Der Wunsch des Re Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Dietrich
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jedoch nicht bereit. Du darfst dich zurückziehen.«
    Am folgenden Morgen wurde die Halbschwester des Pharaos von zwei Wachen flankiert in das Arbeitszimmer des Herrn der Beiden Länder gebracht, damit Ramses das Urteil über sie sprechen konnte. Bintanats Gesicht war eingefallen und fahl, ihre sonst so strahlenden Augen lagen vom vielen Weinen tief in ihren Höhlen. Sie war unfrisiert und ungeschminkt und trug nur ein einfaches Leinenkleid. Als sich die Türen hinter ihr schlossen, fiel sie vor ihrem Bruder auf die Knie und berührte mit der Stirn den Boden.
    »Bitte vergib mir, Majestät. Es tut mir leid, was geschehen ist«, bat sie flehentlich, doch Ramses war nicht gewillt, das zu tun.
    »Deine Reue kommt zu spät, Bintanat«, sagte er, und sie begann zu schluchzen. »Du hast auf schändlichste Weise das Ansehen Meiner Majestät und das der königlichen Familie beschmutzt. Du hast in Kauf nehmen wollen, dass ein Unschuldiger zu lebenslanger Zwangsarbeit verurteilt wird, nur weil du deine Liebe und Zuneigung zu ihm nicht erwidert fandest und deshalb an ihm Rache nehmen wolltest. Das kann und das will ich nicht vergeben. Ich will aber Gnade walten lassen und dich nicht wie eine gemeine Verbrecherin bestrafen, obwohl du dich mit deiner Handlungsweise auf deren Stufe begeben hast. Ich lasse dir deine Zunge, Bintanat. Ich verbanne dich aber ins Faijum. Im Harim Mer-ur wirst du bis ans Ende deines Lebens eingesperrt sein.«
    »Nein, Majestät, mein Bruder, bitte nimm mir nicht meine Freiheit«, rief Bintanat entsetzt und sah Ramses aus weit aufgerissenen Augen an.
    »Schweig und bezeichne mich nicht als deinen Bruder! Du wirst nie wieder einen Fuß aus diesem Harim setzen. Stattdessen wirst du dort arbeiten – aber nicht wie eine Prinzessin, sondern wie eine gewöhnliche Dienerin. Zu welchen Diensten dich die Vorsteherin einsetzen wird, überlasse ich ihr, doch vertraue nicht auf deine ehemalige Stellung. Du wirst nicht bevorzugt behandelt werden, und du wirst nicht nur wie eine gewöhnliche Dienerin arbeiten, du sollst auch so leben. Dein gesamter Besitz wird Eigentum Meiner Majestät, dazu gehören auch deine Kleider und dein Schmuck. Und jetzt ziehe dich zurück, Bintanat, ich will dich nie wieder zu Gesicht bekommen!«
    »Bitte, Majestät«, flehte Bintanat verzweifelt, »erniedrige mich nicht. Lass mir wenigstens meine Kleider und ein paar Schmuckstücke. Ich bitte dich, Mächtiger Horus.«
    »Nein, mein Befehl ist endgültig und unabänderlich! Solltest du dennoch gegen meinen königlichen Willen handeln oder jemals wieder einen Meineid leisten, verlierst du deine Zunge und deine Freiheit gänzlich. Dann mache ich dich zu einer Leibeigenen auf Lebenszeit, und dein zukünftiger Herr wird dir ein Schmuckstück schenken.« Ramses machte eine Pause und sah seine Halbschwester drohend an, um ihr die folgenden Worte förmlich vor die Knie zu speien: »Es wird ein Kupferreif sein mit einem Sperling in der Mitte.« Er betätigte den Gong.
    Die beiden Soldaten erschienen, um die Prinzessin abzuführen, die kaum imstande war, sich aufrecht zu halten.
    Als kurze Zeit später der Oberste Kammerherr das Erscheinen des Osiris-Priesters meldete, hellte sich das Gesicht des Königs wieder auf.
    Die beiden Männer umarmten sich, und Ramses gestand seinem Freund aus Kindertagen, dass er niemals an seiner Unschuld gezweifelt habe, im Sinne der Maat habe jedoch der Schwur der Prinzessin mehr gewogen als der von Amunhotep.
    Sie setzten sich und tranken einen Krug Wein, um über belanglose Dinge zu plaudern. Zwischendurch erkundigte sich Ramses nach dem Gesundheitszustand von Amunhoteps Mutter und schließlich nach Meritusirs Fortschritten.
    »Ich habe begonnen, sie ganz allmählich in die Geheimnisse der Priesterschaft einzuweihen«, berichtete Amunhotep. »Meritusir nimmt all das Wissen begierig in sich auf. Sie erstaunt mich immer wieder mit ihren Schlussfolgerungen, die sie aus dem Gelesenen zieht.«
    Ramses lächelte zufrieden. »Es war übrigens Meritusir, die mich auf die Idee mit der Orakelbefragung gebracht hat«, gestand er seinem Freund. »Ehrlich gestanden schäme ich mich, dass mir das nicht selbst eingefallen ist. Da muss erst eine Fremde aus einer anderen Zeit kommen und mir die Augen öffnen. – Wusstest du eigentlich, dass Sethi unsterblich in sie verliebt ist?«, plauderte Ramses weiter, und Amunhoteps Miene verfinsterte sich, was dem König nicht entging.
    »Ja, Majestät, das ist mir bekannt. Sethi kam vor einem

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