Der Wunschtraummann
nachdenke, ist es wirklich genau wie seine Jungfräulichkeit zu verlieren.)
Bloß habe ich immer den Verdacht, alle anderen denken insgeheim genau dasselbe. Und dabei ist es ganz egal, ob man nackt über den Trafalgar Square flitzt, sich in einem hippen New Yorker Club betrinkt oder in Goa am Strand tanzt. Überall auf der ganzen Welt tun die Leute, als amüsierten sie sich köstlich. Es ist eine einzige riesengroße Verschwörung.
Aber womöglich irre ich mich ja auch ganz gewaltig und die anderen haben wirklich ihren Spaß, denke ich. Vielleicht stehe ich mit meiner Meinung auch ganz alleine da, und ich bin einfach irgendwie komisch.
Eine Stunde später – und ich stehe in einem riesengroßen stuckverzierten Haus in Chelsea. Drinnen sieht es aus wie in einer Hochglanz-Wohnzeitschrift: In der marmornen Eingangshalle steht neben dem lodernden Kamin ein Weihnachtsbaum wie aus dem Bilderbuch, und von dem weitläufigen Salon geht eine großzügige Terrasse ab, die mit unzähligen blitzenden Lichterketten geschmückt ist.
Die Party ist schon in vollem Gange. Wir sind kaum angekommen, da wurde Fiona auch schon von Dan abgefangen, einem ihrer Dates von VerwandteSeelen RU s , der ihr im Cyberspace nachgestellt und sie nun in der Küche abgefangen hatte. Und nach einigen gescheiterten Versuchen, ein bisschen mit den anderen Anwesenden zu plaudern, stehe ich nun hier ganz allein im Wohnzimmer, kenne keine Menschenseele und versuche, cool und entspannt zu wirken.
Ich meine, man kann schließlich nicht ewig so tun, als schriebe man SMS .
Ich erspähe einen vorbeigehenden Kellner mit einem Tablett voller Champagnergläser, von dem ich mir rasch eins angele und in einem Zug halb leertrinke.
»Ganz schön durstig, hm?«, meint der Kellner mit unüberhörbarem australischem Akzent.
»Könnte man so sagen«, entgegne ich, froh über ein freundliches Gesicht. Kurz überlege ich, ihn in ein Gespräch zu verwickeln, doch noch ehe mir irgendwas einfällt, bahnt er sich schon wieder den Weg durch die anderen Partygäste.
Also kippe ich den restlichen Champagner runter und schaue mich unauffällig nach jemandem um, den ich ansprechen könnte. Ich gebe mir wirklich größte Mühe, in Partystimmung zu kommen und mich zu amüsieren, aber keine meiner Bemühungen hat bisher gefruchtet. Und ich glaube, diese Aufmachung ist dabei wirklich keine Hilfe. Fiona hat mich damit eingelullt, alle würden kostümiert zur Party kommen und ich würde gar nicht weiter auffallen. Was allerdings ein schwacher Trost ist angesichts der Tatsache, dass ich im Grunde genommen nur eine riesengroße 60- DEN -Strumpfhose mit integriertem Body und ein Paar Plüschohren trage.
Und an die Schnurrhaare, die sie mir mit Eyeliner ins Gesicht gemalt hat, will ich erst gar nicht denken. Oder daran, dass sie mich dazu gezwungen hat, den Schwanz zu tragen, den sie aus Lametta gebastelt hat.
Gerade überlege ich, ob ich wohl noch ein Glas Champagner organisieren könnte, ehe ich vor Scham im Boden versinke, weil Hinz und Kunz freien Blick auf mein Hinterteil haben, als Fiona aus der Küche kommt. »Ach, herrje, tut mir leid«, japst sie entschuldigend. »Ich konnte mich einfach nicht loseisen. Er wollte mir unbedingt weismachen, wir seien Seelenverwandte.«
»Komisch, ich dachte, ihr hättet euch nur einmal gesehen, und die Verabredung sei die reinste Katastrophe gewesen.«
»Noch viel schlimmer als schlimm!« Angewidert verzieht sie das Gesicht. »Er hat mir gestanden, dass er nicht raucht, nicht trinkt und noch Jungfrau ist!«
»Dann wärt ihr ja wirklich das perfekte Paar«, entgegne ich belustigt.
»Tja, das ist es ja gerade«, sagt sie mit gequälter Miene. »Er erzählt mir unentwegt, dass unsere Profile zu neunundneunzig Prozent übereinstimmen und er einfach nicht versteht, warum ich nichts mit ihm anfangen will, wo der Computer doch sagt, wir seien wie füreinander geschaffen …«
Wir werden von schrillem, kreischendem Gelächter unterbrochen, und als wir uns umdrehen, sehen wir einen Haufen Mädels gackernd auf der Terrasse stehen und die Köpfe zusammenstecken. Allesamt tragen sie Strumpfhalter, Netzstrümpfe und Push-up- BH s, stürzen den Champagner hinunter, als gäbe es kein Morgen mehr, und drängen sich um eine magere Blondine mit Pferdegesicht in einem roten Teufelskostüm.
»Ach, schau mal, da sind ja auch Pippa und die anderen Mädels«, sagt Fiona erstaunt. »Wahrscheinlich weiß sie noch gar nicht, dass ich hier bin.«
Mein Blick geht
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