Der Wunschtraummann
Kunstpelzumhang und einem dicken buschigen roten Bart im Gesicht.
»Das haben sie damals auch zu Anne Boleyn gesagt, und du weißt ja, wie das geendet hat«, motzt sie und zieht einen Schmollmund, um dann ihr Glas auszutrinken und gleich darauf meins in Angriff zu nehmen.
Sie wirft ihm einen Blick zu.
Er zwinkert ihr zu.
»Andererseits, vielleicht ist er es ja wert, seinetwegen den Kopf zu verlieren«, meint sie, und dann sehe ich zu, wie sie den Bauch einzieht, also lasse ich sie in Ruhe weiterflirten und flitze zu dem wartenden Taxi.
Viertes Kapitel
»Hey, Flohsack, bin wieder da.«
Das Gute an Silvester ist, alle sind so beschäftigt mit Feiern, dass quasi null Verkehr auf den Straßen herrscht, also dauert es nicht lange, bis ich die Wohnung aufschließe, die Tür hinter mir zumache und die hohen Schuhe im hohen Bogen in die Ecke pfeffere.
Himmel, ist das herrlich, wieder zu Hause zu sein! Auf Strümpfen tappe ich in die Küche und schalte den Wasserkocher ein. Auch wenn die Küche aussieht wie ein Schlachtfeld, Fiona ist mit dem Abwasch an der Reihe. Und wir haben keine Milch mehr, stelle ich fest, als ich den Kühlschrank aufmache und mein Blick auf die leere Flasche fällt, die dort noch steht.
Ich sage zwar leer, allerdings ist noch ein winzig kleiner Schluck Milch in der Flasche, Fiona sei Dank, die immer gerade so viel übrig lässt, dass man ihr nicht nachsagen kann, sie hätte alles ausgetrunken. »Aber da ist doch noch was drin«, quiekt sie dann immer empört, wenn ich ihr deswegen Vorwürfe mache, und zeigt auf die letzten verbliebenen Tröpfchen.
Missmutig werfe ich die Flasche ins Altglas und durchstöbere die Küchenschränke nach irgendwas, wofür man keine Milch braucht. Ich finde Dutzende von Fionas Kräutertees, aber die sind eigentlich weniger zum Trinken gedacht als vielmehr zum Angeben. Die kramt sie immer dann hervor, wenn sie »Gäste« hat, und macht dann eine große Show, genau wie mit ihrer Duftkerze von Diptyque und den Marmeladenspezialitäten, die sie vor ungefähr vier Jahren in einem Präsentkorb von Fortnum & Mason zu Weihnachten geschenkt bekommen hat. Und von denen ich einmal versehentlich beinahe ein Glas geöffnet hätte, als unsere hundsgewöhnliche Erdbeermarmelade von Robinson gerade alle war.
Das werde ich so schnell nicht vergessen. Fiona schoss in ihrem Seidenkimono durch die Küche wie ein chinesischer Schwertkämpfer und entriss mir mit einem schrillen Aufschrei das Glas Holunderblütengelee mit Cognac, ehe ich das Messer unter die Banderole schieben konnte. Ganz ehrlich, es war ziemlich gruselig.
Moment mal, was ist denn das da? Hinter dem Brennnessel- und Klettentee entdecke ich eine Flasche, die aussieht wie …
Mein Notfall-Tequila.
Siegestrunken starre ich ihn an. Den hatte ich ja völlig vergessen. Sir Richard hatte ihn mir letztes Jahr zum Geburtstag geschenkt, und ich hatte ihn ganz hinten im Küchenschrank verstaut. Nicht, dass ich keinen Tequila mag, aber wenn ich abends mal Lust habe, ein Glas zu trinken, mache ich meistens mit Fiona eine Flasche Wein auf, statt mich allein am Küchentisch mit Schnaps zu besaufen.
Ich starre die Flasche an.
Ich sage meistens . Heute Abend ist allerdings alles anders. Dieser Abend ist nicht wie alle anderen. Es ist Silvester. Ich habe Liebeskummer. Ich bin allein zu Hause. Und ich trage ein sexy Miezekatzenkostüm.
Zum Teufel mit dem Kräutertee. Heute Abend brauche ich was Stärkeres.
Okay, wenn das hier was werden soll, dann brauche ich Salz und Zitrone. Das zumindest weiß ich. Ich werfe einen Blick in unser erbärmliches Obstkörbchen. Mit Fiona, der Gesundheits- und Schönheitsexpertin als Mitbewohnerin, sollte man doch eigentlich annehmen, der Korb würde überquellen vor frischem, exotischem Obst. Aber nein, da liegen bloß zwei schwarz gesprenkelte Bananen und ein Granny Smith, der so verschrumpelt ist, dass er eigentlich ins British Museum gehört. Und Salz finde ich auch keins. Geschweige denn ein sauberes Glas.
Ach, auch egal, überlege ich und schnappe mir meine »Keep Calm and Carry On«-Tasse vom Tassenhalter, in die ich mir dann einen ordentlichen Schuss Tequila einschenke. Wobei das eher vier Schuss sind, wie ich mir eingestehen muss, als ich die großzügig bemessene Menge unten in der Tasse begutachte, die ich dann mit einem beherzten Schluck leere. Danach knalle ich die Tasse auf die Arbeitsplatte und verziehe angewidert das Gesicht. Der Tequila ist wie flüssiges Feuer, das sich den Weg
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