Der Wunschtraummann
Hand.
Sie errötet. »Le plaisir est pour moi.«
»Du sprichst Französisch?« Erstaunt schaue ich ihn an.
»Früher, als ich noch in der Savile Row gearbeitet habe, hatte ich viele Kunden aus Paris«, erklärt er. »Leider ist mein Französisch etwas eingerostet.«
»Ganz und gar nicht«, widerspricht Cécilie, und ich sehe, wie mein Opa die stolzgeschwellte Brust rausstreckt.
Wie ich mir die beiden so anschaue, bemerke ich ein seltsames Kribbeln … Moment mal, liegt hier irgendwas in der Luft? Plötzlich komme ich mir so klein und haarig vor wie ein Anstandswauwau.
»Ah, Sie spielen Scrabble«, sagt sie mit Blick auf das Spielbrett.
»Wieso, Sie auch?«
»Ein wenig, aber als Französin bin ich nicht so gut mit englischen Wörtern«, sagt sie mit einem entschuldigenden Lächeln und zuckt die Achseln. Und dann beugt sie sich ein wenig nach vorn und flüstert: »Mein Steckenpferd sind eher die Karten.«
Mein Opa macht einen Satz zurück und strahlt vor Entzücken über das ganze Gesicht. »Also, wo Sie das gerade sagen, ich habe zufällig ein Kartenspiel da. Wie wäre es mit einer Partie Whist?«, fragt er, auch an die anderen gewendet.
»Aber nur, wenn du uns ausnahmsweise mal gewinnen lässt«, meint Errol lachend, und Pearl stimmt mit ein.
»Herrlich, das wird ein Spaß«, ruft Cécilie und klatscht voller Vorfreude in die Hände.
»Na, dann sind wir uns ja einig«, verkündet mein Opa zufrieden, doch dann fällt sein Blick auf mich. »Ach, aber was ist dann mit Tess« – er schaut mich an, als hätte er mich ganz vergessen –, »es können ja nur vier mitspielen.«
Aber diesmal macht es mir gar nichts aus, übergangen zu werden. Ich bin sogar heilfroh, dass er mich vergessen hat. »Mach dir um mich keine Sorgen, spielt ruhig, viel Vergnügen«, sage ich mit einem Lächeln, gebe ihm einen Kuss und winke zum Abschied. »Bye.«
Doch da hat mein Opa sich bereits über den Tisch gebeugt und teilt glucksend und selig lächelnd mit Cécilie die Karten aus. So habe ich ihn, seit Nan gestorben ist, nicht mehr strahlen gesehen. Stillvergnügt grinse ich in mich hinein und gehe. Zum ersten Mal bin ich nicht traurig, ihn hier allein zu lassen. Nein, ich habe ein richtig gutes Gefühl dabei.
Es ist schon spät, als ich schließlich wieder zu Hause in meiner Wohnung bin. Wie üblich ist kaum etwas im Kühlschrank, abgesehen von einem altbackenen Pita-Brot, das ich auftoaste in der Hoffnung, dass es dadurch etwas genießbarer wird. Dann tappe ich ins Zimmer und lasse mich auf das Bett fallen, wobei ich Flea aufschrecke, der zusammengeringelt auf meinem Kissen lag und nun unwillig aufmaunzt.
»Entschuldige, Dicker«, flüstere ich, kraule seine Ohren und beriesele ihn mit Pita-Krümeln. Er knurrt noch einmal mürrisch und ringelt sich dann wieder zusammen, den Schwanz ordentlich eingeschlagen, sodass er aussieht wie ein großes, haariges, oranges Croissant.
Ich greife zur Fernbedienung, schalte meinen kleinen tragbaren Fernseher ein und zappe geistesabwesend durch die verschiedenen Kanäle, während ich das halb vertrocknete, halb getoastete Pita-Brot mümmele. Es läuft rein gar nichts, bloß Soaps und schlechte Reality-Sendungen, und ich grübele gerade über die gewichtige Frage nach, was ich wohl ohne Pita-Brot und Flea machen würde, die nun die tragenden Säulen meines Lebens sind – na ja, mal abgesehen von meinem Opa, natürlich –, als ich es plötzlich sehe.
Irgendeine Unterhaltungsshow läuft im Fernsehen, und sie bringen gerade eine aktuelle Meldung über einen Schauspieler, der eine Rolle in einer neuen Krankenhausserie bekommen hat.
»Von der Klorolle zur Traumrolle …«
Stocksteif starre ich auf den Bildschirm, während der Sprecher seine Ansage macht.
»… ein Schauspieler, dessen bisheriger Ruhm sich auf einen einschlägigen Werbefilm gründete, spielt nun Frauenschwarm Dr. Lawrence in Accident and Emergency , der neuen Serie zur Hauptsendezeit …«
Und dann flackert ein Foto auf dem Bildschirm auf.
Ach du liebe Güte. Das ist Fergus . Er hat die Rolle doch bekommen! Kein Wunder, dass er in letzter Zeit nicht mehr bei uns im Büro war, vermutlich hat er bei der Kurierfirma gekündigt, als er den Zuschlag bekommen hat.
»Tess?«
Nur am Rande bekomme ich mit, wie die Wohnungstür zuschlägt, und höre Fionas Stimme, die nach mir ruft, aber ich antworte nicht. Stattdessen starre ich wie hypnotisiert auf den Bildschirm.
»Tess, bist du da?« Atemlos und mit geröteten Wangen
Weitere Kostenlose Bücher