Der Wunschtraummann
hat, um mir aus der Patsche zu helfen. Und dass er mich liebt, so wie ich wirklich bin. Bei ihm musste ich mich nie verbiegen, ich konnte einfach ich selbst sein.
Doch nun ist es zu spät.
Ich habe mich gefunden, aber Fergus verloren.
Ich nehme meinen Mantel entgegen und bleibe einen Moment stehen, lausche auf die Musik und das Gelächter, die zu mir in die Lobby herausdringen, dann klappe ich den Kragen hoch und trete hinaus in die kalte Nacht. Ich atme die eisige Luft tief ein, gehe los und lasse die Party hinter mir.
Einundvierzigstes Kapitel
Und so geht das Leben eben weiter.
Denn die Sache ist doch die: Das Leben erlaubt uns nicht, uns ins Bett zu legen und uns selbst zu bemitleiden. Das Leben ist ein bisschen wie meine Mum: Als ich noch ein Teenager war, hat sie am Wochenende immer mein Zimmer gestaubsaugt, damit ich endlich aufstehe. Ziemlich resolut und aufdringlich. Und das Leben ist genau so: Es kennt kein Erbarmen.
Absolut nicht.
Das Leben gibt keinen Pfifferling darauf, ob man gerade deprimiert oder unglücklich ist, ein gebrochenes Herz hat oder angeschlagen ist oder ob einfach alles nicht so gelaufen ist, wie man es gerne gehabt hätte. Nichts hält die Welt davon ab, sich weiterzudrehen, damit man eine Runde aussetzen kann, bis es einem wieder besser geht. Ganz im Gegenteil, das Leben krempelt die Ärmel hoch und verlangt, dass man weitermacht und optimistisch in die Zukunft blickt.
Und genau das mache ich auch. Was geschehen ist, ist geschehen. Jetzt muss ich versuchen, alles hinter mir zu lassen und nach vorne zu schauen.
Denn was sollte man auch anderes tun?
Die Party ist inzwischen eine Woche her. Sir Richard ist offiziell in den Ruhestand gegangen, und alles ist anders. Am Montag wurden wir alle in den Konferenzraum bestellt, um Mr Patel kennenzulernen, unseren neuen Boss. Er scheint wirklich sehr nett zu sein und wollte unbedingt, dass ich seine persönliche Assistentin werde. Das war zwar sehr nett, aber ich habe das Angebot abgelehnt und bleibe nur noch da, bis meine Nachfolgerin angelernt ist. Wenn ich eins begriffen habe während meines Selbstfindungsprozesses, dann, dass ich mir selbst treu bleiben muss – und das heißt auch, nicht mehr als Assistentin der Geschäftsführung zu arbeiten.
Und Mr Patel kann sich glücklich schätzen, dass ich mich so entschieden habe, denke ich mit einem Blick auf meinen überquellenden Posteingang, in dem sich die unbeantworteten E-Mails türmen. Einschließlich derer von Fiona mit dem Betreff »Sexy Seelenverwandte«. Ich kann der Versuchung nicht widerstehen und öffne sie. Seit sie Sir Richard kennengelernt hat, ist sie eine überzeugte Verfechterin des Online-Datings und versucht ständig, mich ebenfalls zu bekehren, aber ich überhöre das geflissentlich.
Hi, Tess, schau mal, was ich entdeckt habe! Ich dachte schon auf der Party, dass ich sie irgendwoher kenne, wusste aber nicht, woher, aber dann ist mir wieder eingefallen, wo ich das Gesicht schon mal gesehen habe. Und zwar damals, als ich auf Sexy Seelenverwandte die Konkurrenz in Augenschein genommen habe. Anbei Foto und Profil. Du kennst sie doch, oder???
Neugierig scrolle ich nach unten. Sie nennt sich »Gestiefelte Katze« und unter »Vorlieben« führt sie unter anderem »Beherrschung, Schlagsahne und stachelige Gegenstände« auf, und darunter ist ein Foto von einer Frau in überknielangen Kunstlackstiefeln, einer bis zum Nabel aufgeknöpften Rüschenbluse und einem Hundehalsband mit Nieten. In der einen Hand hält sie eine Reitgerte und in der anderen mit zweideutiger Geste einen phallisch geformten Kaktus …
Ich bekomme den Schreck meines Lebens. Ach du lieber Himmel. Einige Sekunden starre ich bloß entsetzt und wie betäubt ungläubig auf das Foto.
Und das nicht nur wegen des phallischen Kaktus.
Denn das Gesicht, das da einen Schmollmund in die Kamera zieht, kenne ich, und mir dreht sich fast der Magen um.
Das ist Wendy!
Im ersten Augenblick bin ich starr vor Schreck, dann schlage ich beide Hände vor den Mund, um das Kichern zu unterdrücken. Na ja, tut mir leid, das ist einfach zu komisch. Das ist Wendy, die Hexe, wie ich sie noch nie gesehen habe.
Du liebe Güte, man stelle sich vor, das sieht einer! Immerhin ist sie eins unserer Vorstandsmitglieder!
Rasch tippe ich diese Antwort an Fiona und klicke auf Senden .
Krampfhaft versuche ich, dieses Bild aus meinem Kopf zu löschen, und wende mich den anderen E-Mails zu. Heiliger Strohsack, das sind so viele, dass es mir
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