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Der Zauber der ersten Seite - Cossé, L: Zauber der ersten Seite - Au bon roman

Titel: Der Zauber der ersten Seite - Cossé, L: Zauber der ersten Seite - Au bon roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Cossé
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schlechter.«
    Oscar war am Ende des Jahres 2005 eine wertvolle Hilfe, effizient und diskret. Ohne es zu sagen und vielleicht sogar, ohne dass Francesca es merkte, versuchte er, sie zu entlasten, vor allem von den Abonnements, von denen es damals mehr als dreitausend zu betreuen gab. Und wenn ich mich recht erinnere, war er es, der darauf hinwies, dass alle drei Attentate mitten in die Zeit der großen Literaturpreise gefallen waren.
    »Ach, immer denken alle nur an diese Preise«, sagte Francesca.
    Heffner war weniger kategorisch. Ihm war dieser zeitliche Zusammenhang schon aufgefallen. Aber er äußerte sich sehr ausgewogen, etwa: Man kann diesen Umstand nicht unberücksichtigt lassen, aber der Zufall spielt häufiger eine Rolle, als man glaubt.
    Am 13. Dezember jedoch glaubten weder er noch die anderen Eingeweihten an einen Zufall, als sie hörten, Scaf habe Van kurz nach zehn angerufen, um ihn zu sich zu bitten. – »Ja, bei mir zu Hause, unbedingt … Ja, sofort, geht das?« – Und er hatte ihn dann gleich in die Küche geführt, wo sein Fahrrad am Kühlschrank lehnte.
    Scaf-Évohé wohnte und wohnt noch immer fast ganz oben an der Rue Valette, gleich beim Panthéon, in dem Gebäude, in dessen Hof, von der Straße aus nicht zu erkennen, noch der Turm steht, von dem aus Calvin an dem Tag des Jahres 1533, an dem er verhaftet werden sollte, über die Dächer fliehen konnte. Als Ivan dieses Detail erwähnte, wusste ich gleich, welches Gebäude er meinte. Vor der Toreinfahrt steht ein Schild »Histoire de Paris« mit einer Beschreibung des Ereignisses, ich hatte das Schild gelesen.
    Gilles Évohé bewohnt eine Dreizimmerwohnung im obersten Stockwerk, aber nicht im alten Haus an der Straße, sondern im Fünfzigerjahre-Neubau im Hof, einem hübschen Hof, wo er sein Fahrrad in einem Schuppen abstellen und an einem Fußkratzer in einer Ecke festschließen kann.
    An diesem Dienstag, dem 13. Dezember, war er mit seinem Rucksack auf dem Rücken hinunter in den Hof gegangen, hatte tief eingeatmet, um die Wetterlage – grau, kalt, also gut, normal – zu bestimmen, und dann den Schuppen betreten, wo er sich sein Rad, wie versprochen, vor dem Losschließen genau ansah.
    Nichts Besonderes. Évohé hatte die Kette aufgeschlossen und das Rad unter dem Torgewölbe hindurch auf den Bürgersteig geschoben. Um die Bremsen zu prüfen, hatte er es dann, beide Handbremshebel gedrückt, mit Schwung nach vorn geschoben. Fast wäre er lang hingeschlagen: Beide Bowdenzüge tanzten wie wild gewordene Antennen durch die Luft.
    »Diese Schweine haben es sehr geschickt angestellt«, sagte er zu Van. »Sehen Sie sich das an. Hätten sie die Bowdenzüge irgendwo in der Mitte abgeschnitten, hätte ich es sofort gesehen. Nein, man hat sie unmittelbar am Lenker, unter den Bremshebeln, abgeschnitten und mit irgendeinem Sekundenkleber wieder angeklebt.«
    Er war immer noch außer sich vor Wut. Ein Peugeot Black & Silver! Keine zwei Jahre alt! Perfekt eingestellt! Ein Verbrechen!
    Van dachte in einer Aufwallung von Dankbarkeit an Heffner.
    »Hat unser Ermittler Sie gewarnt?«
    »Ja, zum Glück«, knurrte Évohé. »Wenn ich bedenke, dass dieses tolle Rad ohne ihn jetzt hin sein könnte …«
    Heffner hatte ihn eine Woche zuvor in der Rue Valette besucht. Sie hatten sich über Literatur unterhalten. »Ganz schön kultiviert, der Junge«, meinte Évohé. »Er hat alle meine Romane gelesen.« Aber sie hatten auch über die Buchhandlung gesprochen, darüber, dass Der gute Roman bedroht wurde. Heffner war sehr deutlich geworden, er hatte die drei Attentate erwähnt und sich ausführlich nach Scafs Lebensweise erkundigt, nach seinen Ernährungsgewohnheiten, Marotten und üblichen Wegen. Als er erfahren hatte, dass Scaf, der an einer der steilsten Straßen des Quartier latin wohnte, sich ausschließlich per Fahrrad fortbewegte, hatte er nicht lange gefackelt und ihn gebeten, das Radfahren aufzugeben oder wenigstens – da Scaf sich rundheraus weigerte – vor jeder Fahrt alles aufs Genauste zu überprüfen, nein, nicht nur morgens, sondern notfalls auch mehrmals am Tag.

47
    W ir geben alles auf«, sagte Francesca.
    »Wir geben gar nichts auf«, sagte Van.
    »Das habe ich doch gerade gesagt.«
    »Dann sind wir uns ja einig.«
    »Sie haben keine Wahl mehr«, entschied Heffner, als er zehn Minuten später in das große Büro in der Rue Dupuytren kam. »Sie müssen Ihre acht Roman-Weisen zusammentrommeln, ihnen alles sagen – ich bin in einigen Punkten sehr

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