Der Zauber der ersten Seite - Cossé, L: Zauber der ersten Seite - Au bon roman
sagte Francesca. »Eigentlich ist es nur ein herausnehmbares kleines Verzeichnis aus einem Taschenkalender, haben Sie das bemerkt? Ich habe darin die Telefonnummern notiert, die ich häufig brauche. Ich schlage oft eine darin nach.«
Von diesen einundsechzig Nummern, erklärte Heffner, stünden fast alle hinter einem Namen, auf derselben Zeile. Fast alle: Acht bezögen sich auf keine Namen, keine Adresse – auf gar nichts.
Francescas Züge schienen zu versteinern.
»Jemand, dem dieses Heftchen zufällig in die Hände gefallen wäre, hätte nichts bemerkt«, fuhr Heffner fort. »Aber jemand, der es auf der Suche nach bestimmten Nummern so genau durchforstet wie ich, merkt gleich, dass einige Nummern besonders behandelt werden. Acht, eine gute Zahl, acht Nummern, die sich auf nichts beziehen und auf verschiedene Seiten verteilt sind.«
»Ich hatte die Tasche mitsamt dem Heftchen und allen Papieren schon nach einer Stunde wieder.«
»Das gehört zum elementarsten Handwerk«, erklärte Heffner. »Man wollte ja glauben machen, es sei ums Geld gegangen, und hat deshalb das gängigste Verfahren inszeniert: Entreißen der Handtasche, die man nur auf Bargeld filzt und gleich wieder wegwirft.
Ich habe mir nur eine halbe Stunde Zeit gegeben, also weniger als die Diebe hatten, um den Inhalt Ihres Täschchens zu prüfen, aber immer noch reichlich genug, um alle Ihre Papiere zu fotokopieren, einschließlich des Kalenders mit dem Adressheftchen. Das habe ich nämlich getan. Und danach hat man alle Zeit der Welt, sich mit den Kopien zu beschäftigen.«
»Und ich hielt mich auch noch für raffiniert, als ich die acht Nummern auf die Seiten der entsprechenden Decknamen schrieb«, sagte Francesca dumpf. »Sarah Gesteslents’ Nummer auf die Seite ›P‹ für Petit Pois, Évohés unter ›S‹ wie Scaf und so weiter.«
»Das machte in diesem Zusammenhang keinen Unterschied, weil nach wie vor auffiel, dass es acht namenlose Nummern gab. Sollten sich die Bluthunde überhaupt gefragt haben, warum Sie sie auf den betreffenden Seiten notiert haben, dann sicher nicht lange.«
Francesca ließ den Kopf sinken, dann sah sie wieder auf.
»Ich will mich keineswegs von meiner Schuld freisprechen«, sagte sie mühsam. »Ich war furchtbar unvorsichtig. Trotzdem gibt es noch etwas, das ich nicht verstehe. Versetzen wir uns in den Dieb. Er hat eine Liste mit acht Handynummern. Was kann er damit anfangen?«
»Wissen Sie noch«, mischte sich Van ein, »wir haben neulich darüber gesprochen, für manche Leute ist es durchaus keine Hexerei, sich Zugang zu den Verzeichnissen der Telefonanbieter zu verschaffen und die zur Nummer gehörende Person herauszufinden.«
»Und wenn man alle acht Nummern hatte, hatte man auch die Liste der Komiteemitglieder«, ergänzte Heffner. »Es gibt unter den acht Namen nur einen unbekannten: Anne-Marie Montbrun. Die anderen sieben gehören zu Romanciers, die entweder sehr bekannt sind wie Le Gall oder doch von Literaturkennern sehr geschätzt werden wie Néant-Néon, es war sicher klar, dass es sich um ein und denselben handelt.«
»Das würde also bedeuten, dass die Barbaren zur Welt der Literatur gehören?«, fragte Van.
»Vermutlich«, erwiderte Heffner.
48
F rancesca stürzte sich gleich in die Vorbereitung der Zusammenkunft. »Lassen Sie mich das machen«, sagte sie. »Bitte. So kann ich meine Dummheit wenigstens ein bisschen wiedergutmachen.«
»Nur eins noch«, sagte Heffner. »Damit Sie nicht unnötig Zeit verlieren. Die acht haben jetzt alle eine neue Nummer.«
Noch bevor Francesca fragen konnte, gab er die Antwort: »Ja, sie haben alle ein neues Telefon. Es schien mir besser so.«
Er hielt ihr einen Zettel hin.
»Ich habe Ihnen die Nummern aufgeschrieben.«
»Soll ich sie auswendig lernen und die Liste dann hinunterschlucken?«, fragte Francesca.
»Verstecken Sie sie an einer Stelle, wo niemand sie suchen würde.«
»In der Teeschachtel?«
»Zum Beispiel.«
Francesca schob den Zettel unter ihr Uhrarmband.
»Nur vorübergehend«, sagte sie und in einem anderen Tonfall: »Sie sagten doch eben, Anne-Marie sei wieder zu Hause?«
»Ja. Sie kann sich schon wieder eine Autofahrt zumuten.«
»Und Paul? Darf er sich frei bewegen?«
»Ich wollte gerade mit Ihnen darüber sprechen«, sagte Heffner. »Er wurde letzte Woche aus dem Krankenhaus entlassen.«
Néon wollte keinen Fuß mehr nach Les Crêts setzen, doch Heffner hatte ihn überreden können, unter seinem Schutz und nur für eine Stunde
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