Der Zauber der ersten Seite - Cossé, L: Zauber der ersten Seite - Au bon roman
dorthin zurückzukehren, um rasch die Sachen zusammenzupacken, an denen er arbeitete. Um den Umzug würde man sich später kümmern.
Paul reagierte halsstarrig: »Ich arbeite an gar nichts.«
»Sie nehmen alles mit, was auf Ihrem Arbeitstisch liegt«, sagte Heffner energisch. »Sie sollten allmählich mal wieder an Ihre Arbeit denken.«
Nach dieser Blitzexpedition nach Les Crêts – das Dorf war tief verschneit, sie waren niemandem begegnet, Suzon hatte tags zuvor den Schlüssel aus dem Alpette geholt und ihn heimlich auf einer Fensterbank des Schuppens deponiert – hatte Heffner Néon gleich zu seiner neuen Bleibe gebracht.
»Er ist in Maisons-Laffitte«, sagte er. »Stellen Sie sich bloß nichts Exotisches vor. Ich habe ihn in einer Art Kurklinik eingemietet. Allzu angenehm wird er’s nicht haben. Er muss wieder lernen, vernünftig zu essen – und zu trinken.«
Francesca gelang es, schon für den nächsten Tag einen gemeinsamen Termin zu finden. Sie hatte alle von der Dringlichkeit überzeugen können. »In mancher Hinsicht bin ich froh«, sagte sie zu Van, »dass ich vorher erfahren habe, wie die Namen bekannt geworden sind. Ich werde den acht gleich zu Beginn sagen, dass ich allein schuld bin und auf ihnen auch nicht der leiseste Verdacht ruht.«
Doch ganz vollzählig würden sie nicht sein. Anne-Marie weigerte sich am Telefon rundheraus, an dem Treffen teilzunehmen, sie wollte sich weder zeigen noch ihren Namen öffentlich machen lassen. Francesca versuchte sie nicht zu überreden. Anne-Marie trat aus dem Komitee aus. Sie hatte nichts dagegen, dass Der gute Roman gerichtliche Schritte einleitete – auch wenn sie es nicht getan hätte – oder die Mitgliederliste des Komitees veröffentlichte, solange sie dabei ausgeklammert blieb. Der Name Anne-Marie Montbrun sollte ebenso wenig fallen wie der Ida Messmers, und auch der seltsame Unfall in der Kurve von Les Galardons bei Saumur sollte nicht weiter diskutiert werden.
Sie musste ihre geistige Freiheit wiederfinden. Arthur war genauso daran gelegen wie ihr, sie würden umziehen. Sie würden das Anjou verlassen. Anne-Marie entschuldigte sich, sie sei eine leidenschaftliche Anhängerin des Guten Romans und werde es bleiben, trotzdem wolle sie den Namen des neuen Wohnorts ihrer Familie lieber verschweigen.
Zu diesem Zeitpunkt wusste ich bereits von ihrem Doppelleben. Das hätte eigentlich nicht so sein sollen, doch einige Stunden zuvor hatte ich von Ivan erfahren, wer sich hinter dem Namen Ida Messmer verbarg. Wenn Anne-Marie nichts mehr mit den Geschicken der Buchhandlung zu tun hätte und ihre Anonymität auch weiterhin wahrte, würden insgesamt vier Personen ihr Geheimnis kennen, Francesca, Ivan, Gonzague Heffner und ich – vier, die fest entschlossen waren, nichts zu sagen.
Sarah Gesteslents hatte ihren Arbeitsraum in der Rue Alexandre-Dumas als Versammlungsort angeboten, und Francesca hatte das Angebot nach kurzer Überlegung angenommen. Denn es war eine diskretere Lösung als ihre oder Ivans Wohnung oder irgendein Restaurant.
Ich wäre gern dabei gewesen. Francesca und Ivan riskierten einiges an diesem Abend. Sie kamen als Erste an, mit einem großen Korb voller Flaschen. Francesca hatte für diese Gelegenheit einen Portwein, einen Graves und eine Flasche Bourbon vorgesehen. Doch als Van dies im Taxi sah, meinte er, man würde Brother einen höllischen Abend bereiten, wenn man so etwas vor seinen Augen tränke. Néon habe zwar Ausgang erhalten in seiner Kurklinik, aber man müsse ihn in gutem Zustand zurückbringen. Francesca hätte sich am liebsten geohrfeigt. Sie schenkte die Flaschen dem Taxifahrer und bat ihn, irgendeinen offenen Laden zu suchen, wo man Fruchtsaft bekam. Es war stockdunkel, und es schneite.
Sarahs Arbeitsraum war im ersten und obersten Stock eines winzigen Gebäudes gegenüber dem wie eine Stahlbeton-Rakete aufragenden Turm von Saint-Jean-Bosco. Auf den ersten Blick sah der Raum aus wie das Büro eines jungen Architekten: sechs mal sechs Meter, Regale an den weißen Wänden, Juteteppich, hier und da Klemmlampen, eine Chaiselongue, die als Sofa diente, an den beiden Fenstern zwei mit Papieren und Büchern bedeckte Tischplatten auf Böcken und in einer Ecke noch mehr Tischböcke und Sperrholzplatten unterschiedlicher Größe, aus denen man einen dritten Tisch beliebiger Größe bauen konnte.
Für neun Personen brauchten sie eine der größeren Platten. Sarah brachte Klappstühle und eine marokkanische Teppichdecke, die sie
Weitere Kostenlose Bücher