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Der Zauber des Engels

Der Zauber des Engels

Titel: Der Zauber des Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hore
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konnten, verfügten aber einfach nicht über seine Erfahrung. Er hatte inzwischen die Mal-Phase erreicht. Es erforderte großes Geschick, die Umrisse auf die neuen Glasstücke zu zeichnen und einige der alten nachzuziehen.
    »Die goldene Farbe des Haars hat man hinbekommen, indem man das Glas mit Silbernitrat bemalt und anschließend gebrannt hat«, erklärte er Amber eines Morgens und machte sich eine Notiz ins Engelbuch . »Aber zuerst muss man die Umrisse von Haaren und Federn direkt auf das Glas zeichnen.« Er würde das Originalglas nicht brennen können, fügte er hinzu, falls künftige Generationen das, was er gemalt hatte, wieder ändern müssten.
    Da die Augen bisher gefehlt hatten, hatte er keine richtige Lust gehabt, viel am Gesicht zu arbeiten. Aber jetzt war er in der Lage, es komplett zu rekonstruieren und die Lücken mit gefärbtem Harz zu füllen. Auf Russells Vidimus-Skizze waren die Züge zwar regelmäßig, aber ausdruckslos gewesen. Nun endlich war für Zac die Chance gekommen, seine eigene Handschrift zu hinterlassen.
    Eines Tages gegen Ende Oktober waren wir beide allein in der Werkstatt. Zac erzählte mir von einem Kunden, der morgens im Laden gewesen war, als ich nicht da war. Er wollte einen Kristallzauberstab kaufen. »Stell dir vor«, sagte Zac, »er braucht ihn für irgendein seltsames magisches Ritual. Ich habe mich nicht wohl dabei gefühlt, also habe ich gesagt, der Stab würde fünftausend Pfund kosten. Da ist er zum Glück wieder verschwunden.«
    Ich lachte über Zacs Taktik, und es kam mir vor, als würde ich zum ersten Mal seit Ewigkeiten lachen. Vielleicht kam ich allmählich über Ben hinweg. Ich lächelte erleichtert, und Zac beobachtete mich aufmerksam.
    »Bleib genau so«, sagte er. Und dann zeichnete er rasch etwas auf ein Blatt Papier.
    Anschließend zeigte er es mir. »Findest du, dass ich so aussehe?«, fragte ich. Ich war nicht unzufrieden, denn er hatte mich viel hübscher gemalt, als ich in Wirklichkeit war; aber irgendwie erkannte ich mich nicht wieder.
    Als Amber die Zeichnung am nächsten Tag sah, rief sie: »Der Engel sieht dir ein bisschen ähnlich, Fran!«
    »Nein, tut er nicht«, widersprach ich leicht gereizt. »Außerdem darfst du Philip Russells Vorlage gar nicht verändern, Zac.« Ich war mir nicht sicher, ob ich als Engel dargestellt werden wollte. Es würde ziemlich anstrengend sein, diesem Anspruch gerecht zu werden.
    »Die Originalzeichnung hat auf jeden Fall Ähnlichkeit mit dir«, antwortete Zac ernst. »Das liegt an den vollen Lippen, die Russell gezeichnet hat. Und auch an den Augen. Das sind hundertprozentig deine.«
    »Hat schon mal jemand gehört, dass es einen Engel gibt, der Fran heißt?«, fragte ich.
    »Ich habe schon mal von einem gelesen, der Eric hieß«, antwortete Amber todernst. »Irgendein Mädchen hat in ihrer Umgebung immer wieder den Namen Eric gelesen, und ihr spiritueller Begleiter sagte ihr, dass das vermutlich der Name ihres Schutzengels sei.«
    Danach musste selbst Amber lachen.
    »Fertig!«, verkündete Zac einige Tage später. Amber und ich liefen aufgeregt zu ihm. Ich war überrascht, wie wunderbar er das Gesicht rekonstruiert hatte. Es war ein komplizierter Prozess gewesen. Er hatte zunächst eine vorgeformte Stützplatte aus Klarglas hergestellt, um das Ganze zu halten, dann die Originalteile bemalt und mit einem Spezialkleber fugenlos aneinandergesetzt. Dann hatte er das gesamte Fenster in einen Bronzerahmen eingepasst.
    Mithilfe eines Bretts trugen wir das schwere Fenster auf den Leuchttisch. Zac schaltete das Licht ein, und Raphael erstrahlte in seiner ganzen goldenen Pracht.
    Amber kreischte vor Begeisterung.
    Er war perfekt, von den Spitzen seiner goldenen Flügel, die er über dem Kopf gefaltet hatte, bis zu den Füßen inmitten eines Blumenteppichs: eine schlanke, feingliedrige Gestalt in einem weiß-goldenen Gewand, das ruhige lächelnde Gesicht umrahmt von weißblonden Locken. Eine Hand war zum Segensgruß erhoben, und ganz unten in der rubinroten Schmuckleiste war die Inschrift »Gott heilt« so klar und deutlich zu lesen wie vor hundert Jahren. Der Sprung war kaum zu sehen.
    »Und?«
    Die Frage riss mich aus meiner Erstarrung. Zac sah mich erwartungsvoll lächelnd an.
    »Es ist fantastisch! Kaum zu glauben, dass es nicht das Original ist.«
    »Das ist es größtenteils. Und jeder, der es in Zukunft noch einmal auseinandernehmen muss, kann das tun.«
    Ich nahm das Engelbuch von der Arbeitsplatte neben mir und

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