Der Zauber des Engels
ist ein alter Bekannter von Ben, und er fand, dass sie musikalisch gut zusammenpassen würden. Aber natürlich hätte ich bedenken müssen, dass sie sich in ihn verlieben könnte. Irgendwas an ihm ist verdammt attraktiv. Aber das brauche ich dir ja nicht zu sagen.«
Wir waren inzwischen stehen geblieben und hatten uns auf eine Bank gesetzt. Ein kleiner Junge warf Stöckchen für seinen Hund.
»Aber weißt du, Michael«, sagte ich, »wenn Ben nicht an ihr interessiert ist, dann muss sie das irgendwann akzeptieren. Vielleicht kommt sie dann zu dir zurück.«
Der Junge hatte nun keine Lust mehr zu dem Stöckchen-Spiel und lag erschöpft im Gras. Der Hund bellte, weil er gern weitermachen wollte, aber der Junge beachtete ihn nicht.
Als Michael mich dieses Mal anschaute, war sein Gesichtsausdruck bitter. »Was ist?«, fragte ich unbehaglich, aber ich sah es seinem Gesicht an. Er öffnete den Mund, brachte aber keinen Ton heraus.
»Michael.«
»Ich muss jetzt gehen, Fran, ich habe gleich einen wichtigen Termin.« Er stand auf, verabschiedete sich und ging über das Gras in Richtung St. James’s Palace.
Ich schaute ihm nach. Es ergab keinen Sinn, ihm nachzulaufen und ihn zu bedrängen. Ich ahnte auch so, was er mir hatte sagen wollen.
»Es war irgendwann letzte Woche. Ich weiß nicht mehr genau, wann. Ich habe sie bloß geküsst, sonst nichts.« Ben starrte angestrengt zu Boden. »Wir waren nicht … im Bett oder so. Das würde ich dir nie antun, Fran.«
Aber er war eiskalt mit Nina umgegangen. Sie war verrückt nach ihm, und er hatte sie an sich herangelassen. Wie konnte er so etwas tun? Und wieso hatte ich so lange gebraucht, um es zu merken?
Ich kniff die Augen zusammen, um klar denken zu können. Als ich sie wieder öffnete, saß er lässig und cool vor mir. In diesem Moment war er mir vollkommen gleichgültig. Ich war wieder frei.
»Ben«, sagte ich. »Du hast nicht begriffen, was läuft, oder?«
Ich öffnete die Eingangstür, ging hinaus – und zog die Tür mit einem Knall ins Schloss, der sich hoffentlich endgültig anhörte.
Tagelang ging es mir schlecht. Ich hoffte, dass Ben anrufen und mich bitten würde, zu ihm zurückzukommen. Zugleich war ich natürlich fest entschlossen, Nein zu sagen, wenn er es tat. Er rief nicht an, was mich in noch größere Verzweiflung stürzte. Wenn ich in der Werkstatt arbeitete, kämpfte ich gegen die aufsteigenden Tränen, und wenn ich allein war, ließ ich ihnen freien Lauf. Ich war immer noch sauer auf Ben und wütend auf mich selbst, weil ich mich schon wieder auf einen wie ihn eingelassen hatte, trotz aller Versprechen mir selbst gegenüber. Doch die ganze Zeit überfielen mich völlig unerwartet die Erinnerungen: Ben beim Dirigieren, mit hochgerollten Ärmeln, schön, intensiv, konzentriert. Oder beim Klavierspielen, mit geschlossenen Augen, versunken in seine Musik. Ich träumte von seinen langen, leidenschaftlichen Küssen, und mein Körper sehnte sich nach ihm. Obwohl ich ihn nur so kurz kannte, hatte ich mich viel zu schnell viel zu sehr auf ihn eingelassen.
Es war schwer, in seiner Nähe zu wohnen. Manchmal ertappte ich mich dabei, wie ich über den Platz schaute und hoffte, ihn zu sehen. Einmal, eine Woche nach unserem Streit, erblickte ich ihn tatsächlich; er kam gerade aus seiner Wohnung, einen langen Schal um den Hals geschlungen, der im Wind flatterte. Er schaute in meine Richtung, sah mich aber nicht, da ich im Wohnzimmer hinter der Gardine stand. Mit schnellen Schritten lief er in Richtung Kirche. Ich war nicht in der Lage gewesen, bei den Chorproben zu erscheinen. Ob er mich vermisst hatte? Ob er überhaupt an mich dachte? Ich ließ den Vorhang fallen und wandte mich ab.
»Ich habe Wichtigeres zu tun«, sagte ich zu Jo, als ich ihr alles erzählte. Weil ihr ebenfalls das Herz gebrochen war, verstand sie besser als jeder andere, wie ich mich fühlte. Meine größte Sorge galt meinem Vater.
Inzwischen besuchte ich Dad mehrmals in der Woche. Zac kam häufig mit, und dann saßen wir an seinem Bett und erzählten ihm, was es Neues gab, als könnte er uns hören. Obwohl wir uns da überhaupt nicht sicher waren.
Zac sprach nicht ein einziges Mal von Ben. Aber er musste mitbekommen haben, dass ich mich nicht mehr mit ihm traf. Er war besonders nett zu mir, und manchmal, wenn ich von meiner Arbeit aufschaute, sah ich, dass er mich nachdenklich beobachtete.
Seit Wochen arbeitete er nun in jeder freien Minute an Raphael. Amber und ich halfen, so viel wir
Weitere Kostenlose Bücher