Der Zauber des Engels

hin und her und flüsterte ihm beruhigende, tröstende Worte zu.
    »Ich werde deine Mama sein«, sagte sie leise. »Ich verspreche es dir.«
    »Du kannst nicht meine Mama sein«, schluchzte er. »Meine Mama ist bei den Engeln, und sie lassen sie nicht wieder fort. Ich hasse sie, ich hasse die Engel.«
    »Die Engel beschützen sie doch nur, mein Kleiner«, sagte sie. Was hatten seine Großeltern ihm nur erzählt? »Sie hat es gut bei ihnen. Sie sieht dir vom Himmel aus zu, weißt du, und passt auf, dass ihrem kleinen John nichts zustößt. Und …«, Laura wurde immer verzweifelter, »… sie möchte, dass ich ihr dabei helfe, das weiß ich ganz genau.«
    Der Junge schluchzte noch ein paarmal, dann lag er wie ein verwundetes Tier bebend in ihren Armen. Sie streichelte sein Haar und wiegte ihn stundenlang, so kam es ihr jedenfalls vor. Als ihm die Augen endlich zufielen, legte sie ihn wieder in sein Bett und deckte ihn behutsam zu. Ganz kurz schlug er die Augen auf. Er gähnte und murmelte schläfrig: »Bist du auch ein Engel?«
    Erst verstand sie nicht, was er damit meinte, dann dämmerte es ihr. Sie würde ihn beschützen, so wie die Engel seine Mutter beschützten. Ja, das war eine schöne Vorstellung. Sie würde so lange auf ihn aufpassen, wie er sie brauchte.
    »Ja«, antwortete sie. »Ich bin dein Schutzengel.«
    Seine Augen fielen wieder zu, und er seufzte noch einmal. Sie küsste ihn zärtlich und blieb an seinem Bett sitzen, bis es im Zimmer völlig dunkel war.

Rachel Hore , geboren in Epsom, Surrey, hat lange Zeit in der Londoner Verlagsbranche gearbeitet, zuletzt als Lektorin. Heute lebt sie mit ihrem Mann und ihren drei Söhnen in Norwich. Sie arbeitet als freiberufliche Lektorin und schreibt Rezensionen für den renommierten Guardian . Der Zauber des Engels ist nach Der Garten der Erinnerung und Das Haus der Träume ihr dritter Roman.