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Der Zauber des Engels

Der Zauber des Engels

Titel: Der Zauber des Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hore
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blätterte es durch. Zac hatte jeden seiner Arbeitsschritte sorgfältig dokumentiert, Zeichnungen und Fotos eingeklebt und Beschreibungen des neuen Glas- und Bleimaterials und der Farbzusammensetzungen, die er benutzt hatte.
    »Und hier unter dem Blei«, er beugte sich vor, um auf die linke untere Fensterecke zu zeigen, »habe ich Minster Glass eingezeichnet. Und da ist das Stück mit Philip Russells keltischem Knoten, damit künftige Generationen uns die Schuld zuschieben können, wenn es ihnen nicht gefällt.«
    »Dazu wird es keinen Anlass geben«, antwortete ich und schüttelte fasziniert den Kopf. »Zac, es ist großartig. Jeremy wird begeistert sein.«
    Er hantierte schon wieder mit der Kamera, weshalb mein Versuch, ihn zu umarmen, leider missglückte. Aber er drückte mich ebenfalls ganz kurz, und ich spürte seinen Atem an meinem Haar, roch den salzigen Duft seiner Haut. Ich zuckte zurück, wir waren beide ein wenig erstaunt.
    »Danke«, sagte er und lächelte. »Ich hoffe nur, Jeremy reagiert nicht genauso.«
    Jeremy kam am Nachmittag. Er umkreiste den Engel ein paarmal und sagte dann: »Er ist wundervoll! Danke!«
    In den nächsten Tagen kam ein regelrechter Pilgerstrom aus der Pfarrgemeinde zu uns in den Laden, um das Fenster zu bewundern. Alle waren der Meinung, es gehöre unbedingt wieder in die Kirche. Jetzt mussten wir nur noch die offizielle Erlaubnis abwarten.
    Unwillkürlich ging ich immer wieder zu dem Engel, betrachtete ihn, spürte die Kraft seines ruhigen, starken Blicks. Wie nahe Zac mit seiner Arbeit wohl an das Original herangekommen ist?, fragte ich mich. Vielleicht würden wir es nie erfahren.

30. KAPITEL
    Oh, mehr fürwahr
ist doch als irgendein gemalter Engel
das Leben.
    Oscar Wilde, Humanitad
    LAURAS GESCHICHTE
    Es war bereits Ende Juli, als Philip Russell Laura bat, ihn in die Grosvenor Gallery in der New Bond Street zu begleiten, damit sie sich dort Burne-Jones’ sensationelles neues Gemälde Die goldenen Stufen ansehen konnten. Sie war noch nie in ihrem Leben dort gewesen. Schon der sonntägliche Besucheransturm und die olivgrünen, mit Möbeln und Dekorationsstücken vollgestellten Räume fesselten sie, ehe sie sich schließlich den Bildern zuwandte.
    Als sie das riesige leuchtende Bild betrachteten, stellte Laura erstaunt fest, wie zart, wie faszinierend diese barfüßigen Frauen waren, die in endloser Reihe eine geheimnisvolle Treppe hinunterstiegen. Das hier war Mystik auf eine völlig andere Art, als sie sie in der Kirche ihres Vaters erlebte. Was würde James Brownlow dazu sagen? Sie konnte sich nicht vorstellen, dass ihr Vater diese entfernt heidnische Szene zu verstehen versuchte, geschweige mögen würde. Ebenso wenig konnte sie die wunderbar irritierenden Gefühle beschreiben, die das Gemälde in ihr auslöste.
    Philip erklärte ihr flüsternd die Gesichter – die eine war Mr. Morris’ Tochter May, das Mädchen im Profil ganz oben Mr. Burne-Jones’ eigenes Kind, Margaret. Laura versuchte sich vorzustellen, wie es sein würde, auf einem Gemälde unsterblich zu sein. Es war eine Form der Unsterblichkeit, die ihr Vater ganz gewiss verurteilen würde.
    Aus der Tiefe des Galerie-Raums drang weibliches Gelächter zu ihnen. Eine große schlanke Frau in einer fließenden salbeifarbenen Robe, über und über bestickt mit Vögeln und Blüten, löste sich aus einer Gruppe von Damen, die vor dem Alma-Tadema -Bild standen, und Philip atmete hörbar ein. Sie ist eine echte Schönheit, dachte Laura. Die schimmernden dunklen Locken, die im Nacken zu einem Knoten gebändigt waren, tiefschwarze Augen, eine lange gerade Nase, perfekt geschwungene Lippen und ein faszinierender Gesichtsausdruck. Die Frau ließ den Blick durch den Raum schweifen und blieb schließlich bei Philip hängen. Erst stand sie einen Moment wie erstarrt, dann bewegte sie sich langsam auf ihn zu. »Philip, wie geht es dir?«, fragte sie und legte ihm eine Hand auf den Arm. Er wirkte nervös.
    »Marie. Ja, es geht mir gut, danke. Das hier ist Miss Brownlow.« Die Frau musterte Laura kurz, ohne großes Interesse. Lauras Wangen brannten.
    Eine ihrer Begleiterinnen rief: »Marie, hast du schon den König Arthur gesehen?«, und sie sagte rasch zu ihm: »Nett, dich getroffen zu haben.« Als sie davonging, fiel Lauras Blick auf die lange Reihe irisierender Knöpfe, die die geschmeidigen Bewegungen ihrer Wirbelsäule noch betonten.
    »War das …?«, murmelte sie und wandte sich an Philip. Dabei kannte sie die Antwort

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