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Der Zauber des Engels

Der Zauber des Engels

Titel: Der Zauber des Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hore
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geschnitzten Chorgestühl rechts und links, bis wir an der Altarschranke standen. Wir schauten empor … und erstarrten.
    Es war die Kreuzigungsszene von Charles Kempe. Thematisch durchaus nicht ungewöhnlich. Aber das hier war keine der üblichen stilisierten Darstellungen eines sterbenden Christus mit ausgestreckten Armen, der aussah, als wollte er Segen spenden. Nein, diese Szene zeigte seine ganze Qual im Augenblick des Todes. Geschunden und erschöpft hing Christus am Kreuz. Neben ihm stand seine Mutter Maria und flehte verzweifelt einen Gott an, der sie nicht zu erhören schien; auf der anderen Seite blickte Johannes entsetzt und mitleidend hin, war wie gebannt, während unterhalb des Sockels, auf dem das Kreuz stand, eine haltlos schluchzende Maria Magdalena sich gegen die spöttisch lächelnden Soldaten wehrte, die sie zurückzerrten. Das schwache Spätnachmittagslicht fiel auf die blassen, ausdrucksvollen Gesichter. Die Farben glühten förmlich vor Leben: Smaragd, Rubinrot, Blau und Gold. Im vollen Tageslicht musste diese Szene ungeheuer dramatisch wirken. Stumm und ergriffen verharrten wir vor dem Fenster und schauten hinauf.
    Das Quietschen einer Tür erlöste uns aus der Erstarrung.
    »Entschuldigen Sie bitte meine Verspätung.« Die warme Stimme des Pfarrers drang lebhaft durch das Mittelschiff. Er setzte einen Stapel Bücher ab, den er mitgebracht hatte, schaltete ein paar Leuchten an und wieder aus, bis er mit dem Ergebnis zufrieden war, dann eilte er uns entgegen. Unter seinem Arm klemmte ein blauer Plastikordner, den er auf eine Kirchenbank legte.
    »Wenn man es eilig hat, kommt irgendwie immer was dazwischen, habe ich recht?« Er schüttelte uns die Hände, die haselnussbraunen Augen funkelten hell in seinem leicht zerfurchten Gesicht. »Dieses Mal waren es ein paar Mädchen aus unserem Heim, die sich über irgendwas aufgeregt haben. Zum Glück kümmert sich meine Frau Sarah jetzt um sie.« Mit seinen beiden Händen umschloss er meine, hielt sie etwas länger fest und sah mir direkt in die Augen. »Das, was ich über Ihren Vater gehört habe, tut mir sehr leid, Miss Morrison.«
    »Fran.« Ich brachte nur ein Flüstern zustande, so sehr berührte mich sein mitfühlend trauriges Gesicht.
    »Also gut, Fran. Ich schätze seine Freundschaft wirklich sehr, und es bricht mir das Herz, wenn ich mir vorstelle, wie sehr ihn meine jüngste Entdeckung interessiert hätte. Ich wollte sie ihm unbedingt zeigen. Verstehen Sie?«
    Ich hätte ihn zu gern gefragt, worum es sich handelte, doch er war nicht zu bremsen. »Aber ich freue mich sehr, Sie endlich kennenzulernen. Edward hat mir so viel über Sie erzählt.«
    Mehrmals tätschelte er mir tröstend die Hand, dann gab er sich einen Ruck und wandte sich an Zac. »Nun, mein lieber Mr. McDuff, ich denke, wir sollten nun zum Geschäftlichen kommen. Das Gutachten.« Er nahm den Ordner, zog ein paar Blätter heraus und schaute uns über den Rand seiner Brille hinweg mit väterlichem Blick an, beinahe so, als wollte er gleich mit der Predigt beginnen.«Sie wissen vielleicht, dass die anglikanischen Kirchen alle fünf Jahre gründlich auf ihren baulichen Zustand hin überprüft werden. Ich habe hier das Gutachten der letzten Inspektion. Der zuständige Ingenieur hat ein paar Fragen zu den Fenstern. Ich möchte Sie bitten, sich zunächst das Altarfenster anzuschauen und dessen Zustand zu beurteilen.«
    Er las die Anmerkungen des Ingenieurs vor, dann rückte er zusammen mit Zac den schweren Altartisch nach vorn. Zac stellte sich auf einen Stuhl, um das Fenster besser in Augenschein nehmen zu können, aber es reichte nur für das unterste Drittel.
    »Ich fürchte, wir brauchen eine Leiter«, meinte der Reverend. »Könnten Sie mir vielleicht helfen, Mr. McDuff? Die Leute vom Chor bereiten nebenan die Probe vor, wir müssen sie wohl kurz stören.« Zac nickte und folgte ihm in den Vorraum. Ich hörte, wie die Tür zum Pfarrsaal aufging, vernahm gedämpfte Stimmen, allerlei Geklapper und Gepolter, dann kehrten die beiden mit einer langen Aluminiumleiter zurück.
    Ein paar Minuten später rief Zac von ziemlich weit oben herunter: »Die Glasfarbe ist an einigen Stellen tatsächlich in sehr schlechtem Zustand. Sehen Sie hier, am Kopf von Johannes. Oder da unten, am Soldaten. Im Gesicht kann man die Zeichnung gar nicht mehr erkennen. Aber ich habe schon Fenster gesehen, die in einem wesentlich übleren Zustand waren. Mit etwas Glück müssen wir das Glas nicht mal

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