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Der Zauber des Engels

Der Zauber des Engels

Titel: Der Zauber des Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hore
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ansehen wollte, die er an der Außenmauer entdeckt hatte. Es war ganz schön anstrengend; dort hatte sich eine Menge Müll angesammelt. Aber dabei haben wir das hier gefunden.«
    Die Verschlusslaschen des Kartons waren so altersschwach, dass sie sich leicht auseinanderbiegen ließen. Der Pfarrer zog eine alte Zeitung heraus, dann starrten wir alle in das Innere des Kartons.
    »Was ist das?«, fragte ich enttäuscht. Es sah aus wie ein Haufen Scherben und verbogenes Metall. Sicher auch bloß ein Teil des Mülls, von dem Jeremy Quentin gesprochen hatte. Er griff mit beiden Händen hinein und zog ein Stück heraus. Als er es ins Licht hob, begriff ich, wieso er so aufgeregt war. Ich erkannte einen schmalen grünen Streifen, der mit lauter weißen Blüten besetzt war. Ein bisschen erinnerten sie mich an Zehen, die in einer Sandale steckten. Ich war erstaunt. In dem Karton befand sich ein zerbrochenes altes Glasfenster.
    »Ich schätze, es wurde im Krieg zerstört«, sagte der Pfarrer und legte das Glas vorsichtig zurück. »Irgendwo auf der Zeitung steht ein Datum. Schauen Sie mal nach.«
    Zac zog die Zeitung heraus und strich sie glatt. »14. September 1940«, las er laut vor. »Ja, das könnte das Datum sein, an dem es passiert ist und jemand die Einzelteile gerettet hat.«
    Über Zacs Schulter las ich mit. Es war eine Titelseite, und ich konnte ein vergilbtes Foto erkennen, auf dem Feuerwehrleute ein ausgebombtes Gebäude durchsuchten.
    »Ich habe mir ein paar alte Chroniken angesehen«, fuhr Jeremy fort. »Leider konnte ich nichts Brauchbares finden, bis auf eine Passage über die Britannia , die später an die Stelle des zerstörten Fensters gesetzt worden ist. Irgendeine Müttervereinigung hatte sie nach dem Krieg in Auftrag gegeben.«
    »Ich frage mich, ob es in Ihrer Pfarre noch Leute gibt, die sich an das alte Fenster erinnern.« Zac bückte sich, nahm ein paar Stücke aus der Schachtel und drehte sie nachdenklich hin und her.
    »Ja, allerdings, ein oder zwei Leute könnte es noch geben«, murmelte Jeremy Quentin. »Ich werde mich umhören.«
    »Ob Dad wohl etwas davon wusste?«, überlegte ich laut. »Ich meine natürlich nicht damals, da war er ja noch ein kleines Kind, aber vielleicht später. Er weiß doch so viel über die Firma.«
    »Deshalb dachte ich ja auch, dass es ihn interessieren würde, Fran. Bei den Recherchen zu seinem Buch hatte er irgendwo gelesen, dass hier noch ein anderes Kirchenfenster existiert haben musste. Er wollte versuchen herauszufinden, welches es war – danach habe ich leider nicht mehr mit ihm gesprochen.«
    Wir sahen uns traurig an. Dann fiel mir etwas ein, das ich in seinen Aufzeichnungen gelesen hatte. »Diese Jungfrau mit dem Kind könnte zu den Fenstern gehören, die ein Pfarrer um 1880 in Auftrag gegeben hatte.«
    »Ja. Aber Ihr Vater glaubte, dass zur selben Zeit noch ein weiteres entstanden sein könnte.«
    »Und zwar dieses kaputte hier.« Zac hielt eine rubinrote Scherbe hoch, die im Spätnachmittagslicht wunderschön funkelte.
    »Genau.«
    »Sie haben recht«, flüsterte ich. »Dad hätte dieser Anblick fasziniert.«
    »Wie geht es dem armen Kerl eigentlich?«, fragte Jeremy Quentin. Erneut rührte mich das tiefe Mitgefühl in seinem Blick. »Ich würde ihn gern besuchen, wenn das möglich ist. Ich mag Ihren Vater sehr gern. Er ist ein ausgesprochen interessanter Mann und ein sehr tapferer dazu.«
    Tapfer? Was meinte er damit? »Ich muss gestehen, ich wusste nicht, dass Sie so eng befreundet sind«, sagte ich zögernd.
    »Oh, wir haben uns auch erst in letzter Zeit näher kennengelernt.«
    »Er … er ist sicher kein einfacher Mensch«, antwortete ich. Ich fragte mich, wie viel mein Vater ihm wohl erzählt hatte; der Pfarrer spürte, in welcher Stimmung ich mich befand.
    »Das kann ich mir vorstellen.« Er nickte. »Er ist sehr reserviert, nicht wahr? Und das habe ich natürlich respektiert. Deshalb bin ich auch nicht sicher, ob er sich über einen Besuch freuen würde.«
    »Bestimmt. Nur kann er es leider nicht zeigen. Er kann im Moment nicht kommunizieren. Ich mache mir große Sorgen um ihn.«
    Zac zog sich taktvoll zurück und erklärte, dass er sich die Fenster gern mal von außen ansehen würde. Er nahm die Leiter mit, und wenig später hörten wir ihn die schützenden Gitter abschrauben. Ich sprach eine Weile mit Jeremy und schilderte ihm Dads Zustand, dann gingen wir beide hinaus, um Zac zu helfen.
    Als Zac fertig war und die Leiter wieder weggeräumt hatte,

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