Der Zauber des weissen Wolfes
Feuers.
Elric lächelte freundlich, als Graf Smiorgan ihn an der Schulter faßte. Eine Art Freundschaft bestand zwischen den beiden Männern. Den anderen vier Anwesenden nickte er herablassend zu und näherte sich dann anmutig dem Feuer. Yaris machte ihm Platz. Elric war groß, hatte breite Schultern und schmale Hüften. Das lange Haar trug er im Nacken zu einem Knoten zusammengesteckt, und aus unbekanntem Grund trug er die Kleidung eines Barbaren aus dem Süden. Knielange Stiefel aus weichem Rehleder, einen Brustschild aus seltsam geschmiedetem Silber, ein Wams aus blau-weiß kariertem Leinen, Hosen aus roter Wolle und einen Mantel aus raschelndem grünem Samt. An seiner Hüfte hing das Runenschwert aus schwarzem Metall - der gefürchtete Sturmbringer, von alten, fremdartigen Zauberkräften geschmiedet.
Diese bizarre Aufmachung war grell und geschmacklos und paßte nicht zu dem empfindsamen, zarten Gesicht und den langfingrigen, beinahe zierlichen Händen; dennoch staffierte er sich so heraus, weil diese Kleidung die Tatsache unterstrich, daß er in keine Gesellschaft paßte -daß er ein Außenseiter und ein Geächteter war. In Wirklichkeit bedurfte er solcher absonderlichen Gewänder nicht, denn Augen und Haut verrieten ihn zur Genüge.
Elric, der letzte Lord von Melnibone, war ein reiner Albino, der seine Kräfte aus einer geheimen und schrecklichen Quelle bezog.
Smiorgan seufzte. »Nun, Elric, wann überfallen wir Imrryr?«
Elric zuckte die Achseln. »Wann ihr wollt; mir ist es egal. Gebt mir nur Zeit, um noch schnell ein paar Dinge zu erledigen.«
»Morgen? Segeln wir morgen?« fragte Yaris zögernd und im Bewußtsein der schlummernden Macht des Mannes, den er vor kurzem noch des Verrats bezichtigt hatte.
Elric tat die Äußerung des Jünglings mit einem Lächeln ab. »Drei Tage«, sagte er. »Drei - oder mehr.«
»Drei Tage! Aber bis dahin weiß Imrryr doch von unserer Gegenwart!« Der Einwurf kam von dem dicken Fadan, der stets sehr vorsichtig war.
»Ich sorge dafür, daß eure Flotte nicht gefunden wird«, versprach Elric. »Ich muß vorher nach Imrryr reisen - und wieder zurück.«
»In drei Tagen schaffst du die Reise nicht - das überfordert das schnellste Schiff!« Smiorgan musterte ihn mit aufgerissenem Mund.
»Ich bin in weniger als einem Tag in der Träumenden Stadt«, sagte Elric leise und im Brustton der Überzeugung.
Smiorgan zuckte die Achseln. »Wenn du meinst, glaube ich dir - aber wozu willst du die Stadt vor dem Überfall besuchen?«
»Ich unterliege meinen eigenen Zwängen, Graf Smiorgan. Aber sei unbesorgt - ich werde euch nicht verraten. Ich führe den Überfall selbst, dessen könnt ihr gewiß sein.« Das Feuer warf einen unheimlichen Schimmer auf sein totenbleiches Gesicht, und die roten Augen glühten. Eine hagere Hand lag fest am Griff seines Runenschwerts, und er schien heftiger zu atmen. »Im Geiste ist Imrryr bereits vor fünfhundert Jahren gefallen -endgültig fällt es demnächst, für immer! Ich muß noch ein paar offene Rechnungen begleichen: das ist der einzige Grund, warum ich euch überhaupt helfe. Wie ihr wißt, habe ich nur wenige Bedingungen gestellt: die Stadt muß dem Erdboden gleichgemacht werden, und zwei Menschen, ein Mann und eine Frau, sind zu schonen. Ich meine meinen Cousin Yyrkoon und seine Schwester Cymoril...«
Yaris spürte, daß seine dünnen Lippen sich un- angenehm trocken anfühlten. Sein großspuriges Auftreten ging in erster Linie auf den frühen Tod seines Vaters zurück. Der alte Seelord war gestorben und hatte den jungen Yaris als Herrscher über seine Länder und seine Flotten zurückgelassen. Yaris war insgeheim nicht überzeugt, daß er ein so riesiges Königreich lenken konnte - und versuchte selbstbewußter aufzutreten, als er sich wirklich fühlte. Jetzt fragte er: »Wie können wir die Flotte verstecken, Lord Elric?«
Der Melniboneer ging auf die Frage ein. »Ich verstecke sie euch«, versprach er. »Und zwar sofort - aber sorgt vorher dafür, daß alle Männer die Schiffe verlassen. Veranlaßt du das, Smiorgan?«
»Aye«, brummte der untersetzte Graf.
Er und Elric verließen gemeinsam den Saal. Fünf Männer blieben zurück, fünf Männer, die eine eiskalte Aura des Verderbens in der überhitzten Luft wahrzunehmen glaubten.
»Wie kann er eine so mächtige Flotte verstek- ken, wenn wir, die wir diesen Fjord besser kennen als sonst jemand, kein Versteck finden konnten?« erkundigte sich Dharmit von Jharkor verwundert. Niemand
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