Der Zauber des weissen Wolfes
erklärt. Elric braucht uns, wenn er seinen Thron und seine Braut zurückgewinnen will. Wir können ihm vertrauen.«
»Du bist heute abend voller Vertrauen, Graf«, sagte Yaris lächelnd. »So etwas findet man in unserer unruhigen Zeit nur noch selten. Ich kann dazu eins sagen...« Er hielt inne, atmete tief ein und starrte dabei abschätzend auf seine Gefährten. Sein Blick wanderte von dem hagergesichtigen Dharmit aus Jharkor zu Fadan aus Lormyr, der die runden Lippen schürzte und in die Flammen starrte.
»Nun red schon, Yaris«, drängte der patrizierhafte Vilmirier Naclon. »Wir wollen hören, was du zu sagen hast, Junge, wenn sich das Zuhören lohnt.«
Yaris blickte zu Jiku dem Dandy, der ungeniert gähnte und sich die lange Nase kratzte.
»Also?« Smiorgan wurde ungeduldig. »Was meinst du, Yaris?«
»Ich meine, wir sollten uns auf den Weg machen und nicht länger Zeit verschwenden, indem wir auf Elric warten. Bestimmt sitzt er in irgendeiner Taverne hundert Meilen von hier entfernt und lacht sich über uns ins Fäustchen - oder er verschwört sich mit den Drachenprinzen, um uns in die Falle zu locken. Seit Jahren planen wir diesen Überfall. Wir haben nicht viel Zeit zum Zuschlagen - unsere Flotte ist zu groß, zu auffällig. Selbst wenn Elric uns nicht verraten hat, werden in Kürze Spione nach Osten eilen, um die Dra- chen zu warnen, daß sich eine Flotte gegen sie formiert. Wir haben die Chance, ein fantastisches Vermögen zu erringen, die größte Handelsstadt der Welt zu besiegen und dabei unvorstellbare Reichtümer einzuheimsen - andererseits riskieren wir einen schrecklichen Tod von den Händen der Drachenprinzen, wenn wir zu lange warten. Zögern wir nicht länger, setzen wir Segel, ehe unsere Opfer von dem Plan erfahren und Verstärkungen heranholen!«
»Du warst mit deinem Mißtrauen immer schnell zur Hand, Yaris.« König Naclon von Vilmir sprach langsam und überlegt, während er den nervös wirkenden Jüngling angewidert musterte. »Ohne Elrics Wissen um die Labyrinthkanäle, die in den geheimen Hafen führen, können wir Imrryr nicht erreichen. Wenn Elric sich uns nicht anschließt, wäre unser Vorstoß fruchtlos - hoffnungslos. Wir brauchen ihn. Wir müssen auf ihn warten - oder den Plan aufgeben und in unsere Heimat zurückkehren.«
»Wenigstens bin ich bereit, ein Risiko einzugehen!« rief Yaris, und Zorn sprühte aus seinen schrägen Augen. »Du wirst alt - ihr alle werdet alt! Schätze sind nicht mit Vorsicht oder Umsicht zu gewinnen, sondern durch einen wagemutigen Angriff und schnelles Töten!«
»Dummkopf!« Dharmits Stimme grollte durch den flammenhellen Saal. Er lachte müde. »So habe ich in meiner Jugend auch gesprochen - und kurz darauf eine gute Flotte verloren. Wir werden Imrryr mit Schlauheit und Elrics Kenntnissen erobern - und mit der größten Flotte, die je über das Seufzende Meer fuhr, seit Melnibones Banner über allen Nationen der Erde flattern. Hier sitzen wir, die mächtigsten Seelords der Welt, jeder von uns Herr über mehr als hundert schnelle Schiffe. Unsere Namen sind berühmt und gefürchtet - unsere Flotten suchen die Küsten zahlreicher Nationen heim. Wir verfügen über Macht!«
Er ballte die große Faust und schüttelte sie vor Yaris' Gesicht. Seine Stimme beruhigte sich, und er lächelte boshaft, während er den Jüngling aufgebracht anstarrte und sich gründlich seine nächsten Worte zurechtlegte.
»Aber ohne die Macht, über die Elric verfügt, ist das alles wertlos - und bedeutungslos. Damit meine ich die Macht des Wissens über die Zauberei, wenn ich das verfluchte Wort denn verwenden muß. Seine Väter wußten von dem Labyrinth, das Imrryr vor einem Angriff vom Meer schützt. Und seine Väter gaben ihm das Geheimnis weiter. Imrryr, die Träumende Stadt, träumt in Frieden - und wird das auch weiter tun, wenn wir nicht einen Führer finden, der uns durch die verräterischen Wasserwege zum Hafen lenkt. Wir brauchen Elric - wir wissen das, und er weiß es auch. Das ist die Wahrheit.«
»Ein solches Vertrauen, meine Herren, ist wirklich herzerfrischend.« Ironie schwang in der lauten Stimme, die am Saaleingang erklungen war. Die Köpfe der sechs Seelords fuhren herum.
Yaris' Selbstvertrauen schwand, als er dem Blick Elrics von Melnibone begegnete. Alte Augen in einem hübsch geschnittenen, jugendlichen Gesicht. Rote Augen, die in die Ewigkeit starrten. Yaris erschauderte und wandte Elric den Rücken zu; er blickte lieber in den hellen Glanz des
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